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Dieser Geist fliesst aus einer heute vielfach verklungenen Weltan*schauung und verdichtet sich zu gewissen Sollsätzen, welche im Staats*leben sich auswirken. Mit Recht sagt Professor Hocking: "Der Rückzugder organisierten Religion von der direkten Einwirkung auf das Gesetz
zerstört noch nicht die psychologischen Wirkungen, für welche die
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Religion eingetreten ist.^Jene Sollsätze wirken weiter, um den Ein*
zelnen über das kleinmenschliche Ich hinauszuheben und ihn zu veran*
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lassen, dem unbekannten Nachbarn, der noch Unbekannten Nachwelt zu
dienen. Ohne solche objektiven Werte der Politik ist der Staat die*jenige Gruppe von Menschen, welche stärker ist als die übrigen: Machtist Recht, Politik ein Schaukelspiel zwischen Knechtung und Empörung.Der Staat verliert damit die "Weihe", welche die Religion allen geyschichtlichen Staatsgebilden der Vorzeit verlieh. Diese Weihe besitztdie neuzeitige Demokratie, so wie sie von ihren Begründern gemeintwar, nicht anders als einstens der mittelalterliche Gesellschaftsauf*bau. Aber der "Geist", der diese Weihe vermittelt, ist in beiden Fällenein grundsätzlich verschiedener.
Die Wiege der neuzeitigen Demokratie wie ihres jüngeren Bruders,des neuzeitigen Sozialismus , stand in religiös bestimmtemElternhause.Ich gedenke dabei der neuzeitigen Demokratie als eines allgemeinenMenschenrechtes, gegründet auf "die Gleichheit alles dessen^was Men*schenantlitz trägt"; ich setze sie in Gegensatz zu der mittelalterli*chen und antiken Demokratie, welche auf der Mitglied^/schaft in einerbevorrechtigten Gilde oder dem Vollbürgerrecht in der Stadtgemeindeberuhte. Ich gedenke des neuzeitigen Sozialismus des Abendlandes,welcher zur Sicherung dieses allgemeinen Menschenrechtes durch plan*