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Erst bei Marx ist der täuferische Chiliasmus völlig ver niohto = & -.Sein Weltheiland ist das Proletariat, das die Sünde der Welt trägt; seintausendjähriges Reich ist der Zukunftsstaat als der Himmel auf Erden.Das Pfingstwunder wiederholt sich in der durch Marx gewordene^Offen=barung als atheistischer Religion, die zur Orthodoxie nur zu schnellerstarrt. Den Liebeskommunismus der Täufer ersetzt der Klassenkampf unddie proletarische Solidarität.
Amerika hat die Wendung zum Marxismus nicht mitgemacht, indem esmöglich schien auf dem Boden und mit den Mitteln der kapitalistischen Wirtschaftsordnung das allgemeine Menschenrecht der Freiheit und Gleich=heit zu verwirklichen. Dagegen ist die Seele Amerikas in sofern demeuropäischen Sozialismus verwandt, als sie von jenem Optimismus durch=tränkt ist, der die Verwirklichung das sozialen Idealieiches schon aufErden für möglich hält und als Aufgabe empfindet. Beide stehen im Ge=gensatz zur offiziellen Reformation Europas, die das Gättesreich ver=jenseitigt und in den verstaubten Winkel der sog. "i /etzten Dinge" ver=bannt hat. Der Deutsche, welche^ diese Gedanken als "amerikanisch" ab=lehnt, verkennt ihren Ursprung im deutschen Täufertum, dessen Glaube andas tausendjährige Reich in Amerika bei der breiten Masse der Gebildetenfortlebt. Dieser Glaube hat in der Wirtschaftskrisis, die der kurzen
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Nachkriegsproperity folgte, breite Kreise insbesondere der akademischenJugend dem Sozialismus zugeführt.
Neuerdings hat das amerikanische Täufertum i n Walter Rauschen ^busch einen Chiliasten erster Ordnung hervorgebracht. Deutscher Abstammungund deutschen Universitätsstudiums, wirkte Rauschenbusch im Mittelpunktdes Weltkapitalismus als Prediger der zweiten Baptistengemeinde in New York, deren Mitglied John D. Rockefeiler war. Sein reiches Schrifttum