93
der Patrioten, noch durch den Edelsinn der Bürger erweichen zulassen, noch durch das selbst zarte Alter der Jünglinge, deren Blutdie Standgerichte forderten. Seit jener Epoche, wenn es von Zeitzu Zeit geschah, daß das Murren der berliner Bevölkerung zumPalast der preußischen Monarchen aufstieg, pflegten sie zu sagen,sie wüßten wohl, daß die Revolutionäre sie mit dem Loose Ludwigdes XVI. bedrohten.
Glaubt man, es sei ein Leichtes gewesen, auf diesem Boden dasBündniß mit Italien und Ungarn gegen die Habsburger und Welsenaufzubauen? Und während der König unter der Herrschaft der ausseinem legitimistischen Sinn hervorgegangeneu Bedenken stand, entginger auch nicht den Einwirkungen des Abscheus, mit welchem der Kriegdie liberale Parthei erfüllte. Die Königin, eine Enkelin des fürst-lichen Mäcenas von Weimar , den neueren Ideen zugänglicher, theiltedie widerstrebenden Gefühle, welche die Nation selbst bestürmten.Herr von Bismarck sah sich also genöthigt, den Sinn des Königsnicht nur gegen ihn selbst, sondern auch gegen seine ganze nächsteund vertrauteste Umgebung zu erobern. Der Krieg war schon erklärt,und noch unterhandelte der Hof hinter dem Rücken des Ministers,aber mit Wissen des Königs, mit Oesterreich. Gezwungen, allenSchwierigkeiten dieser Lage die Stirn zu bieten, war der Ministerohne Zweifel stets eher dazu bereit, die Anforderungen des Landesals diejenigen der Krone Preis zu geben; nichts destoweniger bliebsein Ohr den Einwänden der Gegenpartei nie ganz verschlossen. „Ichbringe mein Leben damit hin, zwischen dem Könige und den Libera-len den Puffer zu machen", pflegte er zu sagen. Dieser Dualismuszeigte sich nicht allein in der Verschiedenheit der Ansichten zwischendem Könige und seinem ersten Minister, sondern auch in den: vielleichtnoch größeren Auseinandergehen des Letzteren mit seinen einflußreich-sten Collegen, welche Conservative von: reinsten Wasser waren. Diese