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Karl Helfferich zum Gedächtnis : [Reden am Sarge in Mannheim am 30. April 1924]
Entstehung
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überragende» Kenntnisse auf finanz-- und Wirtschafts politischemGebiet. 1915 Reichsschatzsekretär, 1916 Staatssekretär desInnern und Stellvertreter des Reichskanzlers Bethmanvund Michaelis, also auf verantwortungsvollstem Postenmitten im Getriebe der Kriegs- und Parlamentspolitik. DieseZeit schuf in ihm den Realpolitiker, den Staatsmann. DasMißtrauen, das anfangs in konservativen Kreisen bei seinemAntritt geherrscht hatte, verschwand sehr rasch. Man erkanntebald genug in ihm den Mann, der für eine kraftvolle, zielbewußtePolitik eintrat, den Minister, vielleicht den einzigen, der sichgegen das parlamentarische System verwahrte und der schondamals gegen die Sozialdemokratie so kräftige Töne fand,wie es kein anderer Minister wagte. Aus den persönlichenErlebnissen jener Zeit stammt Helfferichs scharfe Einstellunggegen das schamlose Treiben eines Erzbergers, gegen die parla-mentarische Mißwirtschaft und die Erfüllungspolitik, derenerste Ansätze sich damals im Zentrum und in der Sozialdemokratiezeigten. Seine finanz-- und steuerpolitische Tätigkeit als Reichs-schatzsekretär ist verschieden beurteilt worden, eine spätereZeit wird ihm vielleicht darin eine gerechtere Würdigung undallgemeine Anerkennung finden lassen als jetzt. Was er tunkonnte, um den Siegeswillen aufrecht zu halten, das hat erganz gewiß getan; als aber die in der Wilhelmstraße, im Reichs-tag herrschende Stimmung sich immer weiter hiervon ent-fernte, als das dem parlamentarischen System schon voll-kommen verschriebene Kabinett Hertling austrat, glaubte er diesnicht mehr mitmachen zu können und verließ 1917 den Reichs-dienst.

Der Zusammenbruch kam und damit rückte Helfferich in denVordergrund der Zeitgeschichte als der kenntnisreichste, er-fahrenste, gewandteste und mutigste Vorkämpfer nationalerPolitik, der turmhoch seine Zeit überragte. Wie ein Fels imMeer, so stand er in der Brandung der roten Flut, immerhöher und fester hinausragend und immer mehr Leuten zum

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