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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Drittes Kapitel.

vieler gehaßten höheren Beamten verkündet, dazu als freudigesEreignis, daß der Erbgroßherzog und Mitregent nebst seinerGemahlin in den nächsten Tagen der Stadt ihren Besuch machenwürden. Die Versammlung, in welcher man sich mit derAnredeBürger" titulierte, brach darüber in begeisterten Jubelaus, und der ebenfalls die Redner alsBürger" So und so auf-führende Zeitungs-Bericht fügte hinzu, daß das Komitee sich zurAufgabe mache, dashochherzige" Fürstenpaar würdig zuempfangen.

Ich hatte den Eindruck, als ließe sich auch bei diesem AnlaßZitz vou seiuem fauguiuifcheu Gefühl etwas zu weit fortreißen,und suchte ihn in seiner Wohnung auf, um mich mit ihmDarüber ins Klare zu setzen. Meine Ahnung hatte mich nichtbetrogen, uud nun gab ich mir Mühe, etwas kaltes Wasser aufseine Dankbarkeit uud seiu Vertrauen zn gießen, zugleich gegenein Uebermaß von Ovationen zu protestieren. Es gab eineetwas scharfe Disknssion, an deren Schlnß ein Kompromißzwischen uns zustande kam. Ich entwarf für die Zeitung einenArtikel, welcher zwar ehrerbietig, aber doch ernüchternd gehaltenwar. Nach einigen Ansstellnngen uud Zufätzeu wurde erzwischen uns beiden vereinbart:Keinen Akt der Unterthänigkeit,sondern einen Akt der politischen Sympathie, der politischenHerzlichkeit wollen wir begehen. Wenn die Vorsteher derMainzer Bürgerschaft einen warmen Empfang in diesem Sinnebereiten, können sie ans die Mitwirkung aller zählen."

Jedenfalls entsprach diese Zurückhaltung dem Sinn des hohenGastes mehr als ein Aufschwung der Gefühle. Der spätere GroßherzogLndwig lll. war ein kühler Verstand von etwas eynischer Aufrichtig-keit gegen sich und andre. Ihm war später vorbehalten, unter derLeitung seines Ministers Dalwigk eine Hochburg für jeue süd-deutsch partikularistifche Kamarilla zu liefern, mit der Bismarckmanches Hühnchen zu rupfen hatte. Am liebsten hätte er,nngeschoren von allen deutschen Angelegenheiten, in seinem Groß-herzogtum geschaltet und gewaltet, durchaus nicht bösartig, wiesein kurhessischer Vetter, souderu nur seinen Liebhabereien lebend,zu denen auch das Soldatenspiel alten Stils gehörte, obwohl er,man sagte aus bequemer Scheu, niemals zu Pferde stieg. Berlin