Journalist und Volksreduer.
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Unter diesen süddeutschen Staatsgelehrten waren einige, derenheißes Temperament vom salbungsvollen Pathos der Mehrzahlihrer Kollegen sonderbar abstach. Der wildeste, bissigste war derSchwabe und Märzminister Römer, die „Reichshyäne" genannt.Das Gegenstück lieferten die feierlichen und getragenen, an derenSpitze Gagern und Gabriel Riesser standen. Es war auch beidieser Debatte, daß, nach einer Rede Messers für den WelckerschenAntrag, Gagern diesen, als er von der Tribüne herabstieg,pathetisch umarmte:
„Dem Riesser gab, nach Klub-Beschluß,
Der Gagern einen dicken Kuß"heißt es in der Reimchronik des Pfaffen Mauritius (MoritzHartmaun).
Aber, ob cholerisch oder phlegmatisch-, diese Staatsmännerwaren von einem so überquellenden sittlichen Hochgefühl erfüllt,daß sie uns, ihren radikalen Widersachern, eine unbegrenzteAntipathie einflößten.
Seit Jahresfrist hatten wir ihnen ihre Selbsttäuschung vor-gehalten, von Stufe zu Stufe waren alle ihre vertrauensvollenErwartungen zu Schanden geworden, und jetzt, wo sichtbar dieletzten Reste in Trümmer fielen — denn an das Zustande-kommen des preußischen Erbkaisertums konnte kein Vernünftigerglauben — apostrophierten sie noch die Mitwelt mit Orakel-ftimmen voll strotzender Unfehlbarkeit.
Gewiß, wir jungen Republikaner trieben auch in Thorheitenhinein, aber wir waren doch nicht mit Blindheit geschlagen überdie Zustände und Thatsachen und unterschätzten nicht die darausdrohenden Gefahren. Darnm reizte uns diese Mischung vonÜberlegenheitsprätention uud Schwäche unsrer Gegner — einTypus, der uach Jahrzehnten wieder gerade so im neuen DeutschenReich aufleben sollte, — zu bitterem Grimm und Spott.
Das Auftreten Welckers erregte in unseren Reihen einenwahren Sturm der Empörung. Ich machte mir Lust, indem icheinen Leitartikel schrieb: „Die Rede, welche ich gehalten hätte,wenn ich Herr Welcker wäre."