524
Achtes Kapitel.
ihrer viele kennen gelernt und finde, daß sie weit eher als dieschlauen Westfalen den Titel „sentimentale Eichen" verdienen, denHeine den letzteren gewährt.
Von Gotha ging unsere Reise nach Dresden . Wir fuhren,schon der in Frankreich angenommenen Gewohnheit gemäß, ersterKlasse. Eine Zeitlang waren wir allein. Aber nun kamen wiran eine Station, wo — es war Sonntag — ein Turnfest statt-gefunden hatte. Die überflutenden Passagiere mnßten ans jedeWeise untergebracht werden, und so wnrde auch uusere Abteilungmit Turnern vollgestopft. Der Tag war heiß, nnd die rück-kehrenden Festgenossen hatten auch vou innen reichlich mit Alkoholeingeheizt.
Es war zum erstenmal seit 1849, daß ich wieder mit derWein und Bier trinkenden deutschen Menschheit in solcher Massen-auflage zusammenstieß, und die Art, wie wir an einem schwülenAugustnachmittag in dem Conps zusammengepreßt waren, machtedas Erlebnis nicht reizender. Wir atmeten auf, als wir inDresden ausgeschifft, dem Getobe, dem Gebrüll, dem Dunst unddem Qualm entrückt wurden.
Selten hab ich von einem Gasthanszimmer mit solchem Be-hagen Besitz ergriffen wie damals in dem allerdings höchst civili-sierten Hotel Bellevne. Dieser angenehme Eindruck pflanzte sichauch auf das übrige der Stadt fort. Alles so dekorativ, so wohn-lich, reinlich, zum ruhigen Genuß einladend.
Wir hatten eine Empfehlung an die Schriftstellerin Clairevon Glümer , die nns aufs freundlichste aufnahm, nnd unsereSchritte leitete. Eiu politischer Berührungspunkt war, daß ihrBruder Botho nach dem Maiausstand lange Gefangenschaft zuerdulden gehabt hatte. Die Schwester, noch ganz jung, hatteschon damals schneeweißes Haar, das ihr sehr gut stand, nnd manerzählte (ich erinnere mich nicht mehr, ob sie selbst es war), essei in einer Ngcht gran geworden, nämlich als sie, im Vertrauenans einen abgekarteten Besreiungsversuch, mit einem Wagen ander Landstraße den Bruder erwartete, der aber nicht kam, weilim letzten Augenblick das Geheimnis der Vorbereitung dnrch einenbösen Znsall entdeckt worden war. Ist die Geschichte authentisch?Giebt es überhaupt authentische Konstatiernngen des Phänomens