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Regentschaft und Anfänge König Wilhelms I.
sollte. Damit hätte sich der König auf dem Boden seiner früherenErklärungen abfinden können, allein Schlagworte einer Zeit habeniinmer einen Nebensinn, und was Freund und Feind in jenes ein-fache Wort hineinlegten, das mußte deu Regenten abstoßen. SolcherStimmung des Königs kam eine Broschüre klug entgegen, in derein gewaudtes Mitglied der Kreuzzeituugspartei, der JustizratWagener, den Gedanken ausführte, daß Preußen als ein Militär-staat groß geworden sei nnd diesen Charakter wahren müsse. Sospannen sich tausend Fädeu, welche deu Regenten von den Liberalenhinweg- und zu der Partei hinzogen, die das Land von 1849 bis1858 beherrscht hatte.
Besonders stark wirkten in diesem Sinne zwei DenkschriftenRoons, die er dein Könige in Stunden größter innerlicher Bewegungüberreichte, wo sie den stärksten Eindruck machten. Am I.März 1861bewog er ihn, die Gesetzentwürfe, die Schwerin zum Ausbau derVerfassung im liberalen Sinne forderte, zu vertagen, und wenige-Wochen später, im April, setzte er ihm mit leidenschaftlicherWärme auseinander, daß es notwendig sei, die liberalen Ministerzu entlassen.
Weil Sie verfassnngsmäßig regieren wollten, erwählten Sie Männer,die die konstitutionelle Doktrin in Preußen ausbilden geholfen, deren Namendaher bei den Parteigenossen einen guten Klang hatten, aber Ew. Majestäthatten dabei übersehen, daß sie ftie liberalen Ministers nur die lautesten,keineswegs aber die berechtigtsten Stimmen im Lande für sich hatten, daßdie Konsequenzen der konstitutionellen Doktrin dieser Männer nur zu vereinenwaren mit dem Scheinkönigtum Belgiens, Englands oder Louis Philippes,nicht aber mit einem echt preußischen Königtum von Gottes Gnaden, mit eiuemKönigtum nach Ihren Intentionen, wie solches in dem Rechtsbemußtseiu IhresVolkes begründet war . . . Man hat Ew. Majestät einzuschüchtern versuchtdurch daS laute Geschrei des TageS. Allen unglücklichen Königen, vondenen die Geschichte meldet, ist es ebenso ergangen. Nnr weil sie an dasGespenst glaubten, schreckte es, ruinierte es sie. Ich beschwöre Ew. Majestät,glauben Sie nicht daran! Sprechen Sie Ein Wort und das Phantom ver-schwindet. Dieses Wort heißt „Ministerwechscl", nicht „Systcmwechsel".
So trieb Noon den König in einen Konflikt hinein, aus demer ihm keiueu Ausweg zeigen konnte, er raubte dem König dasVertrauen seines Volkes und das Vertrauen zn seinem Volke. Eskann ihm der Vorwurf uicht erspart werden, daß er auch in jenenDenkschriften wesentliche Verhältnisse falsch darstellte, daß er