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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
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Rovn stürzt die liberalen Minister.

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rabulistisch vorgegangen ist, und es ist nicht zu bezweifeln, daß erin mehr gelegentlichen Bemerkungen, die er nicht so sorgfältig ab-wägen konnte, wie den Ausdruck solcher Denkschriften, noch schroffergesprochen haben wird. Den Schrei nach Billigkeit und Rechtverdächtigte er als das wüste Geschrei der Revolutiou, Männer wieHarkort und Schwerin als Demagogen, und die Forderungen derJunker, die ihre Privilegien, und der Bureaukraten, die ihr Ge-waltregiment fortsetzen wollten, bezeichnete er als dieberechtigtstenStimmen" des Landes.

Indes geschah doch auch jetzt noch einiges, was einen ver-söhnenden Eindruck machte, so namentlich, daß es der Regierunggelang, den Widerstand des Herrenhauses gegen die Beseitigungdes Grundsteuerprivilegs der Rittergüter zu brechen (7. Mai 1861),und daß um die gleiche Zeit der Polizeioberst Patzke uud derFreiherr v. Zedlitz von ihren Stellungen an der Spitze der Berliner Polizei entfernt wurdeu. Aber freilich geschah das erst, nachdemdie Stadtverordneten beschlossen hatten, den Staatsanwalt auf-zufordern, seine Pflicht zu thuu und gegen diese Hüter der Gesetzewegen ihrer Verletzungen der Gesetze Anklage zn erheben. Unddas Herrenhans nahm das Gesetz über die Grundsteuer erst uachlangem Sträuben und unter Verhandlungen an, die da zeigten,wie stark uuter diesen von Roon dem Könige als die wahrenStützen des Staates gepriesenen Kreisen die Vorstellung herrschte,daß ihneu eiu anderes Recht im Staate zustehe, als dem Bürger.Auch als ein religiöses Gebot wußten sie es darzustellen, dies alteSteuerprivileg zu bewahren, erregten aber dadnrch nur Ärgernis,und zwar anch bei dem Könige.

Nicht ohne Einfluß auf die preußischen Verhältnisse war esserner, daß damals in dem Nachbar lande Hannover das Gewalt-regiment des blinden Königs und seiner Günstlinge den Höhepunkterreichte, und eine rhcinbündlerische Äußerung des Ministersvon Borries und der Lohu, den er dafür vom Könige durch dieErhebung in den Grafenstand empfing, die allgemeine Aufmerk-samkeit Deutschlands auf diese Zustände und die Prätensiouen desnoch dazu fast besitzlosen Adels richteten. Auch einer an sichunbedeutenden Sache muß in diesem Zusammenhange gedacht

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