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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
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Regentschaft und Anfänge König Wilhelms I.

werden, des an Größenwahn grenzenden Hochmuts, der sich indem Erlaß eines mecklenburgischen Junkers, des Grafen KunoHahn -Basedolw an seine Dienerschaft offenbarte. Die Anrede: anmeine sämtlichen Beamteten uud Dienerschaft, die mein Brotessen und denen mich Gott zum Herrn gesetzt hat", machte damals,im Herbst 1861, die Runde durch Deutschland und erschien geradezur rechten Zeit, um den Bürgern von den ausschweifenden Ge-danken uud Wünschen dieser Kaste ein packendes Bild zu geben.Man spottete darüber, aber mau faßte es doch auch als Symptomder steigenden Dreistigkeit der reaktionären Kreise auf, und diesesBild aus der mecklenburgischen Gutswirtschaft wurde auch imKampfe der Parteien in Preußen eine wirksame Waffe. Bürgertumund Liberalismus erschienen solcher Versteinerung gegenüber alsgleichbedeutend und zugleich als die einzig möglichen Träger einesgesunden Staatslebens und eines nationalen Patriotismus.

Die Bürger waren aber gegen solche Anmaßungen um soempfindlicher, als sie das Gefühl hatten, gegenüber dem Adel nichtnur im Aufsteigen zn sein, sondern ihn an Kraft, Reichtum undLeistungsfähigkeit für den Staat völlig überholt zu haben, zumalsich in allen Staaten des Buudes ein frischerer Zug des öffent-lichen Lebens regte. In Hessen, in Hannover und in Anhalt-Dessau forderten die Stände die von der Reaktion beseitigtenVerfassungen zurück (186062). In Württemberg und Nassaunötigten sie die Regierungen, ihre Verhandlungen über ein Kon-kordat mit Rom abzubrechen nnd in mancherlei wichtigen An-gelegenheiten den Rat der Volksvertretung zn beachten, in Sachsenund in Mecklenburg erhoben städtische Behörden ihre Stimmen fürpolitische Reform, und in Anhalt-Bernburg kam es zu einemVorgange, der in seinem Verlauf für das ganze Wesen oderrichtiger für das Unzulängliche dieser Kleinstaaten überaus charak-teristisch ist. Der Herzog war geistesschwach, für ihn regierte dieHerzogin-Mitregentin": an sie richteten die Bernburger (25. Januar1861) die Bitte, bei ihrem Gemahl zu befürworten, daß der Ministerv. Schätze!! entlassen werde.Nicht einer und nicht zehn, Hoheit,auch nicht bloß Hunderte, nein, das ganze Land bittet um dieEntlassung des Herrn v. Schätzell..... Das System, als dessen