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Herr von Bismarck : Aus dem Französischen übertragen von K. A. Von dem Verfasser durchgesehen und bis auf die neueste Zeit fortgesetzt / von Ludwig Bamberger, Mitglied des Zollparlaments
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sam an einem Faden hängt, dessen Thüre jedoch nur mittelst einesSchiebers schloß, sah ich einen Mann von hoher Gestalt mit einerstark und heftig hervorspringenden Gesichtsmuskulatur; auf seinerhohen, breiten und gewölbten Stirn entdeckte ich nicht ohneUeberraschung viel Wohlwollen, gepaart mit Hartnäckigkeit. Herrvon Bismarck ist blond, seine Haare sind aus dem Scheitel nurnoch sehr dünn gesät; er trägt einen militärischen Schnnrrbart, undin seiner Rede liegt mehr die Geradheit des Soldaten als die Be-hutsamkeit des Diplomaten. Er ist daneben auch ganz der vornehmeHerr und Hofmann, im Besitze aller Verführungskünste einer ausge-suchten Höflichkeit. Er kam mir entgegen, reichte mir die Hand, führtemich zu einem Fauteuil und bot mir eine Cigarre.

Herr Minister, sagte ich nach einigen einleitenden Worten,es liegt mir wie vielen meiner Landsleute am Herzen, mich sovielals möglich über die wahren Interessen der deutschen Nation aufzu-klären. Erlauben Sie mir also mit voller Freimüthigkeit zu sprechen.Ich erkenne gern an, daß Preußen in seiner auswärtigen Politikheute den, der französischen Nation in hervorragender Weise sympa-thischen, Zielen entgegenzustreben scheint, nämlich: Italien vollständigund für immer von Oesterreich zu befreien, Deutschland auf derGrundlage des allgemeinen Stimmrechts zu konstituiren. Aber be-steht nicht zwischen Ihrer preußischen Politik und Ihrer deutschenein schreiender Widerspruch? Sie proklamiren ein nationales Parla-ment als die einzige Quelle aus der die Wiedergeburt Deutschlands hervorgehen könne, als die einzige Macht, die fähig wäre die neuenGeschicke zu vollenden; und zu gleichst Zeit behandeln Sie das Ab-geordnetenhaus in Berlin nach der Weise Ludwig des XIV., als ermit der Reitpeitsche in der Hand in das Pariser Parlament trat.In Frankreich will uns eine Ehe zwischen Absolutismus und Demo-kratie nicht in den Kopf. Und um die ganze Wahrheit auszusprechen,