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muß ich Ihnen sagen, daß die öffentliche Meinung in Paris Ihr Projekteines National-Parlaments nicht ernst nahm: man hat darin nureine wohlersonnene Kriegsmaschine gesehen, und man glaubt allge-mein, daß Sie der Mann sind, dieses Werkzeug, nachdem Sie Sichdesselben bedient, zu zerbrechen, und zwar an demselben Tage, wo esunbequem oder unnöthig geworden."
„— ^ In bouuo liLure, erwiderte Herr von Bismarck, dasnenne ich gleich auf den Grund der Sache eingehen. In Frankreich ,das weiß ich sehr wohl, bin ich gerade so unpopulär wie in Deutsch-land . Ueberall macht man mich allein für eine Situation verant-wortlich, die ich nicht geschaffen habe, sondern die mir wie Allen auf-genöthigt war. Ich bin der Sündenbock der öffentlichen Meinung,allein das macht mir wenig Kummer. Ich verfolge mit durchausruhigem Gewissen einen Endzweck, den ich als für mein Land undDeutschland nützlich ansehe.
„Was die Mittel betrifft, so habe ich in Ermangelung anderermich derer bedient, die sich mir darboten. Ueber die innere LagePreußens wäre vieles zu sagen. Um sie unparteiisch zu beurtheilen,muß man den besonderen Charakter meiner Landsleute gründlich stu-diren und kennen lernen. Während Frankreich und Italien heuteeinen großen von gleichem Geiste und Sinn beseelten Körper bilden,herrscht dagegen in Deutschland der Individualismus vor. Jederlebt hier für sich in seinem Winkel, allein mit seiner Ansicht, im Kreisevon Weib und Kind, in stetem Mißtrauen gegen die Regierung so-wohl, wie gegen seinen Nachbarn. Alles beurtheilt er stets von sei-nem persönlichen Standpunkt? niemals von dem der Masse aus.Das individuelle Bewußtsein und das Bedürfniß des Widerspruchssind im Deutschen bis zu einem unglaublichen Grade entwickelt. Zei-gen Sie ihm eine offene Thür, statt daß er durchgeht, wird er sichlieber darauf verbeißen, hart daneben ein Loch durch die Mauer zu