Meine ersten fünf Vorträge waren in der Hauptsache der Theoriedes auswärtigen Handels und der Handelspolitik gewidmet. Bevorwir in die Besprechung der aktuellen Fragen der Handelspolitik ein-treten, erübrigt uns ein kurzer Rückblick auf die Gestaltung und dieWandlungen, welche die deutsche Handelspolitik im Laufe des letztenJahrhunderts erfahren hat. Nichts ist geeigneter, einen Einblick indas Getriebe wirtschaftlicher Probleme zu geben, und nichts ist ge-eigneter, den Boden für eine fachgemäße und objektive Beurteilungwirtschaftlicher Streitfragen vorzubereiten, als eine historische Be-trachtung, die sich über die kurzlebigen aber unmittelbar wirkendenEindrücke des Augenblicks erhebt und die jeweilige Konstellation derDinge als ein einzelnes Glied unter den vielen einer langen Ent-wicklungsreihe ins Auge faßt.
Die deutsche Handelspolitik ist, wie ich bereits bei einer früherenGelegenheit einmal erwähnte, verhältnismäßig jung. Das heiligerömische Reich deutscher Nation war auf keinem Gebiete weniger eineEinheit, als auf dem wirtschaftlichen und handelspolitischen. Dieeinzelnen Territorien machten je nach dem Gutdünken ihrer Landes-herren ihre eigene Wirtschaftspolitik, und zwar nach dem dreißig-jährigen Kriege mehr und mehr in merkantilistischem Sinne. DieBeförderung der Industrie gegenüber der Landwirtschaft, die künstlicheZüchtung von bestimmten Industriezweigen war auch hier meist das
i Vergl. zu den beiden folgenden Vortrügen hauptsächlich Walt her Lotz, DieIdeen der deutschen Handelspolitik von 1860 bis 1891, Schriften des Vereins fürSocialpolitik, Bd. 50, Leipzig 1832; ferner die anonyme Schrift: Die Handelspolitikdes Teutschen Reichs vom Frankfurter Frieden bis zur Gegenwart, Berlin 1899.