Neunter Vortrag.Die landwirtschaftlichen Zölle.
Das einzige wesentliche Hindernis, das einer Fortsetzung derHandelsvertragspolitik im Wege steht, ist die agrarische Forderunginnes beträchtlich gesteigerten Zollschutzes sür die landwirtschaftlichenProdukte, Diese Forderung ist so sehr der Angelpunkt unsrer ganzenhandelspolitischen Situation, daß ohne sie eine handelspolitische Fragezur Zeit sür uns überhaupt nicht existieren würde, daß das Fort-schreiten auf dem 1892 betretenen Weg als etwas schlechthin Selbst-verständliches erscheinen würde.
Bei dieser für den Kurs unsrer künftigen Handelspolitik geradezuausschlaggebenden Bedeutung der agrarischen Zollwünsche ist es not-wendig, denselben eine eingehende Untersuchung zu teil werden zulassen. Es kann uns nicht genügen, daß die Forderung einer wesent-lichen Erhöhung der Agrarzölle von einem mächtigen Interessen-Verband und von einflußreichen politischen Parteien erhoben wird;denn die bloße Macht deckt sich nicht immer mit Vernunft und Ge-rechtigkeit. Wir wollen deshalb zunächst untersuchen, wie die agrarischenParteien ihre Zollforderungen begründen, und dann wollen wir sehen,welche Wirkungen sich von einer Erfüllung dieser Forderungen er-warten lassen, sowohl für die landwirtschaftlichen Interessen als auchsür die übrigen Erwerbszweige und namentlich für die große Masseder Arbeiterbevölkerung.
Die Agrarier motivieren ihre Forderungen mit der Notlage derLandwirtschaft. Die Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse,namentlich des Getreides, seien auf dem deutschen Markt durch dieausländische Konkurrenz soweit herabgedrückt worden, daß sie dieProduktionskosten nicht mehr deckten, und die deutsche Landwirtschaftsei infolge dessen auf dem besten Wege, zu Grunde zu gehen, wenn