Siebenter Vortrag,Das Deutsche Reich.
Die durchgreifenden Änderungen, welche die staatsrechtlichen Formender deutschen Zollgemeinschaft durch die Gründung des NorddeutschenBundes und des Deutschen Reichs erfuhren, ließen den Geist derdeutschen Handelspolitik für's erste unberührt. Auch nachdem Öster reich durch den Krieg von 1866 endgültig aus dem im Entstehenbegriffenen neuen Reich ausgeschieden worden war, nachdem also fürPreußen die Handelspolitik ihre Bedeutung als Mittel der hohennationalen Politik verloren hatte, blieben die leitenden Staatsmännerdem Gedanken der Handelsfreiheit treu ; ein Beweis, daß auch vor1866 nicht lediglich die politische Opportunität, sondern auch diehandelspolitische Überzeugung für Preußens Stellungnahme zu Gunstenvon Tarifermäßigungen und Verkehrserleichterungen ausschlaggebendgewesen ist.
Nur darin brachten die Ereignisse von 1866 und 1870 einenWandel, daß sie die deutsche Handelspolitik beträchtlich aktionsfähigermachten. Bisher war jede Reform der bestehenden Tarife nur unterden allergrößten Schwierigkeiten zu stände gekommen, weil der Wider-spruch jedes einzelnen Mitgliedes genügte, um die geplanten Neuerungenunmöglich zu machen. Prenßen vermochte die Tarisreformen, die esfür unbedingt notwendig hielt, nur vermittelst des Abschlusses vonHandelsverträgen durchzusetzen, und die wichtigsten dieser Handels-verträge selbst vermochte es dem Zollverein nur dadurch aufzuerlegen,daß es den Bestand des ganzen Verbandes in Frage stellte und esdarauf ankommen ließ, ob die widerspenstigen Einzelstaaten die Auf-lösung des Zollvereins oder die Annahme der von Preußen abge-fchlossenen Verträge als das kleinere Übel ansehen würden.
Die schweren Kämpfe dieser Art sind seit 1867, seitdem den