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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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erheblich alteriercn. Man hat alle diese Momente, die thatsächlichmaßgebend sind für die internationalen Zahlungen zwischen deneinzelnen Ländern, alle diese Momente, von denen die Handels-bilanz nur eines ist, hat man unter dem NamenZahlungs-bilanz " der Handelsbilanz gegenübergestellt. Welche Summen dabeineben der eigentlichen Handelsbilanz in Betracht kommen, und wieWenig infolge dessen die Handelsbilanz sür die Beurteilung auch nurdes Zuflusses oder Abflusses von Edelmetall, geschweige denn für dieVermehrung des Volksreichtums ausreichend ist, dafür sind die Ver-hältnisse Englands das am meisten bezeichnende Beispiel. Ein bekannterenglischer Nationalökonom, Sir Robert Giffen , hat vor kurzemeinen Vortrag gehalten, in dem er die Einnahmen Englands aus seinenSchiffahrtsdiensten für das Ausland auf 70 Millionen F, die Ein-nahmen an Zinsen und Unternchmergewinnen aus Kapitalanlagen imAusland auf 90 Millionen F, und die Einnahmen aus Zwischen-handelsdiensten auf 18 Millionen K schätzte; zusammen betragen diesedrei Posten 178 Millionen F, 3560 Millionen Mk.. und sie deckendamit vollauf den ganzen beträchtlichen Überschuß der englischenWarcneinfuhr. Dadurch erklärt es sich, daß gerade die wirtschaftlicham weitesten vorgeschrittenen Völker eine sog. ungünstige Handels-bilanz haben; sie brauchen nicht ihre gesamte Wareneinfuhr mit derAusfuhr von Waren zu bezahlen, sondern können einen Teil begleichendurch die Forderungen, die sie ans Ausland haben. Und umgekehrt:die wirtschaftlich zurückgebliebenen Länder, die zu ihrer Entwicklungauf das Kapital des Auslands angewiesen sind, können nicht ihregesamte Warenausfuhr zum Einkauf von Importwaren verwenden,sondern müssen einen Teil des Erlöses zur Verzinsung der fremdenKapitalien an das Ausland abführen. Die fog. ungünstige Handels-bilanz ist mithin, weit entfernt die Verarmung des Landes zu be-deuten, meist ein Symptom, das auf seinen Wohlstand und Reichtumschließen läßt, während die sog.günstige Handelsbilanz" häufig ge-rade auf der Armut des Landes, auf seiner Verschuldung an das Aus-land, beruht.

Mit dieser Kritik der Überschätzung des Geldes und der Handels-bilanz war das Merkantilsystem in seinem eigentlichen Kern theoretischüberwunden. Wenn ein Land nur für ein bestimmtes GeldquantumVerwendung hat, was sollen dann alle die Eingriffe des Staates,welche ihm mehr Geld zuführen wollen als es braucht. Wenn die