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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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Handelsflotten zu vernichten, ihren Kolonialbesitz an sich zu reißen.So hat England zuerst Holland und dann Frankreich niedergekämpftund sich den Löwenanteil am Kolonialbesitz der Welt erobert. DerHandel mit den Kolonien selbst wurde in den Händen des Mutter-landes monopolisiert, die Interessen der Kolonien wurden gänzlichdenen des Mutterlandes untergeordnet, die neuen Länder wurdenschrankenlos ausgebeutet, bis der Abfall der Vereinigten Staaten diegroßen Gefahren dieses Systems enthüllte.

Im 19. Jahrhundet hat und darin darf man einen großenFortschritt der Kultur und Civilisation erblicken die Handelspolitikim wesentlichen auf diese gewaltsamen Mittel Verzicht geleistet, dasWort vom friedlichen Wettbewerb der Völker hat eine praktische Be-deutung gewonnen. Aber denjenigen, die dieser Wandlung tiefer aufden Grund gehen, mögen doch gewisse Zweifel darüber aufsteigen, obder Wandel von Dauer sein wird, ob eine Veredlung der Sitten undder Denkungsweise die ehemals so kriegerische Handelspolitik so friedlichgemacht hat und ob wir vor Rückfällen in die alte Gewaltpolitik be-wahrt sind; oder ob nur aus äußerlichen Gründen ein gewisser Still-stand eingetreten ist, dadurch, daß der mächtigste Handelsstaat, daßGroßbritannien zu einer gewissen Sättigung gekommen war, daß seinealten Gegner ungefährlich geworden waren, daß die neu sich ent-wickelnden Nationalstaaten, namentlich Deutschland , mit ihren innerenVerhältnissen noch genug zu thun hatten, daß den Vereinigten Staaten gleichfalls noch alle handelspolitischen Aspirationen fehlten, und daßRußlands Fortschritte in Asien auf seiner sür England schwer an-greifbaren Landmacht, nicht aber auf Fortschritten zur See beruhten.Das alles mußte von selbst eine Pause in den großen politischenKämpfen um die Handelssuprematie herbeiführen. Aber im letztenJahrzehnt des 19. Jahrhunderts sind doch in dieser Lage sichtbareVerschiebungen eingetreten. Wie lange ist's her, daß man vonIm-perialismus" spricht! und was ist dieser Imperialismus anders, alsdas alte Bestreben, die Machtmittel des Staates wieder an die Stelledes friedlichen Wettbewerbs der Völker zu setzen! Und wir habenauch bereits die blutigen Lebensäußcrungen des imperialistischen Ge-dankens vor unseren Augen. Amerika , das für eine Weltpolitik flüggegeworden ist, hat Spanien zu Boden geworfen und sich nahezu den ganzenRest des ehemals gewaltigen spanischen Kolonialbesitzes angeeignet; seitzwei Jahren kämpft das ehemals freiheitlichste Volk auf den Philip-