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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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gewünschten Einfuhrverbote, z. B. für Fleisch und Schlachtvieh, nichtmit handelspolitischen Gründen zu motivieren wagen und wennsie es thun, dann höchstens aus Versehen, sondern daß sie fürein solches Einsuhrverbot den einzigen Grund ins Feld führen, der,wenn er der Wahrheit entspräche, ein Einfuhrverbot vom Standpunktder Allgemeinheit aus rechtfertigen könnte, nämlich den sanitäts-politischen Grund: das deutsche Vieh soll vor der Einschleppung vonSeuchen, und der deutsche Staatsbürger soll vor der Vergiftung durchamerikanisches Büchsenfleisch geschützt werden. Nur haben leider dieBefürworter dieser Einfuhrverbote mitunter allzudeutlich verraten, daßes ihnen weniger darauf ankommt, den deutschen Fleischkonsumeutengesundheitlich zu schützen, als darauf, ihm durch Ausschluß der aus-ländischen Konkurrenz möglichst hohe Preise für Fleisch aufzuerlegen.

Ebenso wie die Einfuhrverbote sind auch die Ausfuhrverbote infast allen Staaten gänzlich gefallen. Sie finden nur noch in vorüber-gehenden Fällen Anwendung, wenn es sich bei einem ganz besonderenNotstand darum handelt, die im Inland befindlichen Bedarfsartikeldem Inland unbedingt zu erhalten. So hat Rußland im Jahre 1891bei der großen Mißernte ein Getreideausfuhrverbot erlassen, und soist in der letzten Zeit bei uns in Deutschland in Anbetracht derKnappheit an Kohlen und der Steigerung der Kohlenpreise der Erlaßeines Ausfuhrverbots für Kohlen mehrfach in Anregung gebrachtworden. Jedes derartige Verbot bedeutet natürlich eine schwereSchädigung der inländischen Produzenten, denen die günstigere Absatz-gelegenheit nach dem Ausland entzogen wird zu Gunsten der inländischenKonsumenten. Eine solche Maßregel ist deshalb nur dann zu recht-fertigen, wenn wirklich eine ganz dringende Notlage vorliegt.

Das für die moderne Handelspolitik bei weitem wichtigste Mittelsind die Zölle, und zwar säst ausschließlich die Einfuhr-zölle, die an der Landesgrenze oder an der von der Landesgrenzenicht erheblich abweichenden Zollgrenze erhoben werden. Zum deutschenZollgebiet gehört z. B. Luxemburg, während die Freihäfen aus handels-politischen, andere kleine Gebietsteile, wie z. B. Helgoland, aus geo-graphischen Gründen außerhalb der Zollgrenze liegen.

Die Zölle waren früher im wesentlichen ein Mittel der staat-lichen Finanzpolitik, nicht ein Mittel der Handelspolitik; sie wurdendeshalb nicht nur an der Landesgrenze erhoben, sondern es gab auchzahlreiche Binnenzölle, Zölle innerhalb eines und desselben Landes-