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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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Ziel; nur kam zur Erreichung dieses Zieles das wichtigste Mittel dermerkantilistischen Wirtschaftspolitik, die auswärtige Handelspolitik,so gut wie nicht in Betracht. In Frankreich und England und ander-wärts war es verhältnismäßig frühzeitig gelungen, geschlossene Wirt-schaftsgebiete herzustellen, die nach außen durch Grenzzölle, durch Ein-fuhr- und Ansfuhrverbote abgeschlossen waren, während der Verkehrim Innern im wesentlichen frei gegeben war. In Deutschland da-gegen lagen die einzelnen Territorien, die sich nicht zu einem Ganzenvereinigen ließen, derartig miteinander im Gemenge, daß Grenzzöllebei freiem inneren Verkehr auch für die größeren Staaten, die meistnicht aus untereinander zusammenhängenden Gebietsteilen bestanden,gänzlich ausgeschlossen waren. An Stelle der Grenzzölle bestand viel-fach, so namentlich in Preußen , die sogenannte Accise, eine ArtVerbrauchsabgabe auf alle möglichen Waren, die namentlich bei derEinbringung der besteuerten Waren in die Städte als Thorabgabeerhoben wurde. Mit einem solchen System waren begreiflicherweisekeine großen handelspolitischen Wirkungen zu erzielen, und die Not-wendigkeit einer durchgreifenden Reform wurde immer deutlicher. Diefortschreitende Zersetzung des Reichs und der gänzliche Verfall derCentralgewalt machte jedoch den einzigen Weg ungangbar, auf demeine Beseitigung des trostlosen Zustandes ungezählte Zollschrankenund Verkehrserschwerungen im Innern und mangelhafte Abgrenzungnach außen zu erreichen gewesen wäre.

Die Verhältnisse erfuhren keine Besserung, als nach den napo-leonischen Kriegen und nach der völligen Auflösung des Reiches derDeutsche Bund ins Leben gerufen wurde. Der Deutsche Bund warein völkerrechtliches Gebilde, ein Staatenbund; seine Beschlüsse hattennicht ohne weiteres Rechtskraft in den einzelnen Territorien, sie warenvielmehr bloß Verträge, die erst durch Landesgesetze in den einzelnenStaaten rechtskräftig wurden. Dieser Natur des Deutschen Bundes entsprach es, daß Einstimmigkeit bei allen seinen sogenannten Be-schlüssen notwendig war; und so konnte ein einziger kleiner Staatdurch partikularistischcn Eigensinn oder durch bösen Willen das Zu-standekommen einer Einigung sogar auf solchen Gebieten verhindern,wo eine Einigung sowohl im Interesse der Gesamtheit, als auch im In-teresse der Einzelstaaten selbst sich als dringend notwendig zeigte. Amstärksten fühlbar gemacht hat sich dieser Übelstand bekanntlich aufdem Gebiete des Münzwesens. Nirgends lagen die Mißstände und