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die ganze Unsinnigkeit der Zersplitterung und Unordnung so sehr zuTage wie hier, niemand konnte daran zweifeln, daß die Einzelstaatenselbst bei einer einheitlichen Ordnung nur gewinnen konnten. Abertrotzdem gelang es bis zur Gründung des Deutschen Reiches nicht,das ersehnte Ziel der deutschen Münzeinheit zu erreichen. Die ein-zelnen Staaten und Landesherren vermochten sich nicht dazu zu ent-schließen, so viel von ihren sogenannten Souveränitätsrechten preis-zugeben, wie für eine einheitliche Ordnung unerläßlich gewesen wäre.
Ähnliche Schwierigkeiten waren auch auf dem Gebiete des Zoll-wesens und der Handelspolitik vorhanden.
Zwar hatte die Bundcsakte von 1815 ausdrücklich Verhandlungenüber die Zoll- und Handelspolitik vorgesehen. Ihr Artikel 19 lautete:
„Die Bundesglicder behalten sich vor, bei der ersten Zusammen-kunft der Bundesversammlung in Frankfurt wegen des Handels undVerkehrs zwischen den verschiedenen Bundesstaaten sowie wegen derSchiffahrt uach Anleitung der auf dem Kongresse zu Wien an-genommenen Grundsätze in Beratung zu treten."
Aber die hier in Aussicht genommenen Verhandlungen habenniemals stattgefunden. Sie mußten schon deshalb unterbleiben, weilÖsterreich , der wichtigste und größte aller Bundesstaaten, nicht imentferntesten geneigt war, mit seinem strengen Absperrungssystem, dassich auch gegen die übrigen deutschen Staaten richtete, zu brechen.Daran scheiterten alle Versuche und Anregungen, mit dem Artikel 19der Buudesakte ernst zu machen.
Für die Regierungen der Einzelstaaten stellte es sich so als eineUnmöglichkeit heraus, mit den dringend notwendigen Reformen ihrerZollverfassung auf eine Einigung der Bundesversammlung zu warten.Sie sahen sich genötigt, selbständig sür sich vorzugehen und für ihreigenes Staatsgebiet diejenigen Reformen vorzunehmen, die unter denobwaltenden politifch-geographischen Verhältnissen überhaupt möglichwaren.
Es stellte sich jedoch bald heraus, daß isolierte Reformen — aufdem Gebiete des Zollwesens ebenso wie auf dem des Geldwesens —für die größeren Staaten mit beträchtlichen Schwierigkeiten und Un-zuträglichkeiten verknüpft, und daß sie für die Kleinstaaten direkt un-möglich waren. War durch die Bundesverfassung und infolge derHaltung Österreichs ein gemeinschaftliches Vorgehen des ganzen Bundesunmöglich, so zeigte sich mindestens das Zusammenwirken einer größeren