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Zahl von Einzelstaaten erforderlich, um überhaupt irgendwelche Fort-schritte zu erzielen. So hat die Aktionsunfähigkeit des Bundesschließlich zu Separatverträgen und Separatvereinigungen innerhalbdes Bundes geführt, zu den staatsrechtlich überaus interessanten Ge-bilden des Deutschen Zollvereins und des deutschen Münzvereins.
Am klarsten erkannt wurde die Sachlage von den damaligenStaatsmännern Preußens .
Der erste Schritt, den Preußen zur Neugestaltung der handels-politischen Verhältnisse that, war, daß es seine eigene Zollverfassung,trotz aller Schwierigkeiten und Bedenken, auf eine rationelle Grund-lage stellte. In Preußen gab es zur Zeit der Gründung des DeutschenBundes nicht weniger als 57 verschiedene Accisen und Zolltarife mitim ganzen 2775 Warenklassen. Außerdem bestanden zahlreiche Ein-fuhr- und Ausfuhrverbote. Einem Ersatz dieses buntscheckigen Systemsdurch einen einheitlichen Zolltarif, einer Zusammenfassung des ge-samten preußischen Territoriums zu einer wirtschaftlichen und handels-politischen Einheit durch Aushebung der Binnenzölle und Erhebungeines einheitlichen Grenzzolles — dieser ganzen so notwendigen Reformstellten sich in der ungünstigen Gestaltung der preußischen Grenzen,in der Zerrissenheit des Staatsgebiets, dessen östlicher und westlicherTeil ohne Verbindung waren, die größten Schwierigkeiten entgegen.Gleichwohl wurde der Versuch unternommen; in dem Zollgesetze vom26. Mai 1818 wurden alle Accisen und Binnenzölle beseitigt undein einheitlicher Tarif für den Grenzzoll aufgestellt.
An und sür sich bedeutete bereits die Ersetzung der bestehendenUnordnung durch einen einheitlichen Grenzzoll einen außerordentlichenFortschritt. Aber nicht geringer war der Fortschritt, der in dem In-halt des neuen Zolltarifs gegeben war. Der Geist, der in dem neuenTarif herrschte, war der Geist der liberalen Aufklärung, wie ihn dieGesamtheit der Stein-Hardenbergschen Reformen atmet. Die Gewerbe-freiheit im Innern, die bereits in den Jahren 1808 und 1810 ein-geführt worden war, erhielt ihre Ergänzung durch eine Regelung desauswärtigen Handels, die sich weit mehr als in den andern Staatenin jener Zeit dem Ideal der englischen Freihandels-Theoretikernäherte. Von allen Einfuhrverboten blieb, in Rücksicht auf das be-stehende königliche Regal, nur das auf Salz und Spielkarten erhalten;Ausfuhr und Durchfuhr wurden von allen Verboten befreit. DieEinfuhr der meisten Rohstoffe, namentlich auch der Wolle und des