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Roheisens , wurde für zollfrei erklärt. Die Einfuhr landwirtschaft-licher Erzeugnisse wurde mit einer nur ganz geringfügigen Abgabebelastet; und die Zölle auf Jndustrieprodukte wurden so normiert,daß sie etwa 10 Prozent vom Wert ausmachten. Nur auf bestimmteKolonialprodukte wurde ein Finanzzoll von 20 °/o gelegt. Verhältnis-mäßig hoch war die Belastung der Durchfuhr, mit ^ Thaler ProZentner; aber der Zweck dieses Durchfuhrzolles war rein taktischerNatur: er sollte dazu dienen, die an der Durchfuhr durch preußischesGebiet interessierten deutschen Staaten zum Anschluß an das neuepreußische Zollsystem zu nötigen.
Das Vorgehen Preußens erregte einen förmlichen Sturm in dendeutschen Landen. Nicht nur diejenigen Einzelstaaten, die sich infolgeihrer geographischen Lage — einige waren ja gänzlich von preußischemGebiet umschlossen — durch die neuen preußischen Einfuhr- und Aus-fuhrzölle in ihren Interessen geschädigt sahen, entrüsteten sich überPreußens rücksichtsloses Vorgehen, auch die begeisterten Vertreter undVorkämpfer der deutschen Zolleinheit, so namentlich Friedrich List ,sahen in dem preußischen Zollgesetz nur den Ausfluß eines rücksichts-losen Partikularismus. Sie waren weniger Realpolitiker als dieleitenden preußischen Staatsmänner und erhofften immer noch allesHeil von dem gänzlich bewegungsunfähigen Bundestag. FriedrichList begründete im Jahre 1819, also ein Jahr nach der preußischenZollreform, den Deutschen Handelsverein, der sich namentlich aus süd-deutschen Fabrikanten und Kaufleuten zusammensetzte. In dessenNamen richtete er noch in demselben Jahre an den Bundestag inFrankfurt eine Denkschrift, die ihre Spitze namentlich gegen den neuenpreußischen Tarif kehrte, die Abschaffung sämtlicher deutscher Binnen-zölle und den Erlaß eines deutschen Zollgesetzes forderte. Mit be-redten Worten schilderte er die unhaltbaren Zustände: „38 Zoll-linien in Deutschland, " so schrieb er damals, „lähmen den Verkehr imInnern und bringen ungefähr dieselbe Wirkung hervor, wie wennjedes Glied des menschlichen Körpers unterbunden wird, damit dasBlut ja nicht in ein anderes überfließe."
Aber was List mit seiner ganzen großdeutschcn Begeisterung undmit seiner niemals ermüdenden Agitation sür den Gedanken der Zoll-einheit nicht zu erreichen vermochte, das hat Preußen Schritt fürSchritt durch seine nüchterne Realpolitik durchgesetzt. In einer In-struktion, die Fürst Hardenberg für den preußischen Vertreter auf