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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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gegenseitigem Einvernehmen der beiden Regierungen vorgenommenWerden sollten. Hessen , und später alle andern sich an den Zollvereinanschließenden Staaten, wurden also zu gleichen Rechten an der Zoll-gesetzgebung beteiligt. Gegenüber diesem wichtigen Zugeständnis wares von geringerem Belang, daß auch die Zollverwaltung in Hessen derhessischen Regierung vorbehalten blieb, unter der Bedingung einer mitder preußischen übereinstimmenden Organisation.

Der preußisch-hessische und der bayrisch-württembergische Zoll-verein, die fast aus derselben Stunde stammten, nahmen nicht, wievielfach erwartet wurde, eine feindselige Haltung an, Sie waren jabeide hervorgegangen aus der Erkenntnis der ünhaltbarkeit des Parti-kularistischen Standpunktes und aus der Erkenntnis der Vorteile derZolleinigung; und diese Vorteile mußten natürlich wachsen mit derGröße und Geschlossenheit des zollgeeinigten Gebietes. Dagegen zeigtendie übrigen Mittelstaaten, namentlich Sachsen und Hannover , gegenüberder Ausdehnung des preußischen Zollgebiets eine durchaus feindlicheGesinnung. Unter sächsischer Führung schlössen sich die mitteldeutschenStaaten im Mai 1829 zu einemMitteldeutschen Handelsverein" zu-sammen, der jedoch nicht etwa wie die beiden anderen Zollvereine eineinheitliches Zollgebiet schuf, fondern seinen Mitgliedern im wesent-lichen nur die Verpflichtung auferlegte, bis Ende des Jahres 1834keinem anderen Zollverein beizutreten; also ein Zollverein gegen dieZollvereine. Aber gerade durch diese stärkste Überspannung der Par-tikularistischen Verbohrtheit wurde der nächste Anstoß zu einer um-fassenden Organisation gegeben: der norddeutsche und der süddeutscheZollverein reichten sich über die Köpfe der mitteldeutschen Regierungenhinweg die Hände und schloffen im Jahre 1829 mit einander einenVertrag, der zwar keine Zolleinheit aber doch eine wesentliche An-näherung brachte. Eine vollständige Einigung war schon deshalb nichtleicht möglich, weil die territoriale Verbindung zwischen beiden Zoll-vereinen noch fehlte. Eine Verbindung wurde jedoch noch im Jahre1829 dadurch hergestellt, daß es Preußen gelang, mit Gotha undMeiningen Verträge über die Herstellung zweier für den Transitverkehrzwischen dem norddeutschen und süddeutschen Zollverein freigegebenerStraßen abzuschließen. Die Straßen hatten die Wirkung, den wich-tigen Durchgangsverkehr zwischen Nord- und Süddeutschland an sichzu ziehen, und dadurch wurde vor allem Kurhessen betroffen, in demMaße, daß es sich genötigt sah, Anschluß an den preußisch-hessischen