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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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Die österreichische Regierung fühlte, daß für sie jetzt ihre ganzeZukunft in Deutschland auf dem Spiel stehe. Sie erhob in derschärfsten Weise Protest gegen diesen Vertrag, der dadurch, daß seineBedingungen für Österreich unannehmbar seien, die Ausführung derim Handelsvertrage von 1853 in Aussicht genommenen Zolleinigungunmöglich mache und mithin gegen diesen Vertrag verstoße. Nichtgenug damit, richtete die österreichische Regierung am 10. Juli 1862eine Depesche an sämtliche Zollvereinsstaaten, in der sie die sofortigeZolleinigung auf Grund des bestehenden Zollvereinstarifs anbot. Alledie früheren protektionistischen Bedenken wurden, um das Schiff zuretten, kurzer Hand über Bord geworfen.

Aber auch durch dieses verzweifelte Mittel ließ Preußen sich nichtbeirren. Nachdem Ende, Juli das preußische Abgeordnetenhaus dasAbkommen mit Frankreich mit 264 gegen 12 Stimmen angenommenhatte, wurde der Vertrag am 2. August 1862 definitiv unterzeichnet.Am 5. August wurde er den Zollvereinsstaaten mit einer ausführ-lichen Begründung mitgeteilt, in der es hieß:

Es kommt jetzt darauf an, den Handel, den Gewerbefleiß unddie Schiffahrt der Zollvereinsstaatcn auf dem großen Felde, welchesdurch die Verträge erschlossen wird, ohne weiteren Verzug teilnehmenzu sehen und nicht andern Nationen die Vorteile zu überlassen, zuderen Mitgenuß der Verein fähig und berufen ist."

Zuerst antwortete Bayern , indem es am 8. August den Beitrittzum Vertrag ablehnte. Es folgten Württemberg , Hessen-Darmstadt,Hannover und Kurhessen . Sachsen empfahl baldige Verhandlungenmit Österreich . Die meisten andern Staaten zeigten eine unschlüssigeHaltung, nur Frankfurt und Braunschweig erklärten rückhaltslos ihreZustimmung. In ganz Deutschland entstand eine mächtige Erregungund ein gewaltiger Kampf. Nicht nur die wirtschaftliche Einheit,die ganze politische Zukunft Deutschlands war in dieser schweren Krisisdes Zollvereins in Frage gestellt. Das preußische Abgeordnetenhaus, derKongreß deutscher Industrieller, der Kongreß deutscher Volkswirte undder deutsche Handelstag traten auf die Seite der preußischen Regierung,und selbst in den industriellen Kreisen Süddeutschlands zeigte sichlebhafte Zustimmung zum französischen Vertrag.

Im Herbst 1862 trat Bismarck in die preußische Regierung ein.und er zeigte sofort seine Entschlossenheit, den Vertrag mit Frankreich aufrecht zu erhalten und jedem Versuch Österreichs , in den Zollverein