Druckschrift 
Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
Entstehung
Seite
125
Einzelbild herunterladen
 
  

125

Einzelstaatcn nicht mehr das Udsi'uin vsto zusteht und seitdem Bundes-rat und Zollparlament und später Bundesrat und Reichstag auf demgeordneten Weg der Gesetzgebung über die handelspolitischen Maß-nahmen beschließen. seit jener Zeit sind die handelspolitischenKämpfe zwischen den einzelnen deutschen Staaten in Wegsall gekommen;an ihre Stelle sind nicht minder heftige Kämpfe getreten, die Kämpfezwischen den handelspolitischen Prinzipien und die Kämpfe derwirtschaftlichen Interessen nm die gesamte Richtung der deutschenHandelspolitik. Der Dämpfer, den das nationale Element, die Fragedes Fortbestandes oder der Auflösung der zollpolitischen Einheit,diesen Streitfragen und Jnteressenkämpfen aufgelegt hatte, ist mit derVerwirklichung und Sicherung der politischen Einheit in Wegfallgekommen.

Zunächst hatte die Beseitigung der staatsrechtlichen Hemmnissefür die Fortbildung der Zollgesetzgebung die Bedeutung, daß die Bahnsrei gemacht wurde für eine energischere Bethätigung der freihändlerischenÜberzeugung, Im Zeichen der Annäherung an die Handelsfreiheitwar der Zollverein groß geworden, und die deutsche Volkswirtschaftwar, trotzdem ihre industrielle Konkurrenzfähigkeit damals gegenüberdem Ausland, namentlich gegenüber England und Frankreich , einewesentlich geringere war als heute, unter der liberalen Tarifpolitikdes Zollvereins erheblich vorwärts geschritten. Namentlich von den50 er Jahren an, nachdem die kurze Zeit der von Süddeutschland aus-gehenden schutzzöllncrischen Reaktion überwunden war und nachdemdie Verträge mit Hannover und mit Österreich erhebliche Zoll-crmäßigungen gebracht hatten, und dann, nach dem noch viel mehrfreihändlerischcn Vertrag mit Frankreich von 1862, hatte Deutschland in wirtschaftlicher Beziehung einen so merkbaren Aufschwung zu ver-zeichnen, daß es durchaus erklärlich und natürlich erscheint, wenn dieLeiter der Handelspolitik des Zollvereins auch uach der Begründungdes Norddeutschen Bundes und des Reiches auf der von ihnen be-tretenen Bahn weiter zu gehen versuchten.

Bismarck kümmerte sich in jener Zeit nur um die politischeSeite der handelspolitischen Fragen, sowohl in seinem Verhalten gegen-über den deutschen Einzelftaaten, als auch gegenüber dem Ausland.Er hatte den Vertrag mit Frankreich und die Neuherstellung des Zoll-vereins auf dieser Basis so energisch betrieben, weil er im Zollvereinwesentlich ein Instrument sah, das dem Zweck seiner nationalen und