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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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läufig mit dem zufrieden zu geben, was ihnen unter den obwaltendenVerhältnissen als erreichbar erscheint, nämlich mit einem umfassenden,wesentlich erhöhten Zollschutz für die landwirtschaftlichen Produkte.Der wichtigste Punkt in ihren Forderungen ist die Erhöhung derGetreidezölle, eine Erhöhung, für die eine bestimmte Ziffer bishernoch nicht angegeben worden ist; nur das haben die Agrarier bisherübereinstimmend bekundet, daß ihnen eine Erhöhung auf den Satz desderzeitigen Generaltarifs, auf 5 Mk nicht als ausreichend erscheint.

Ob durch eine solche Steigerung der Getreidezölle eine Erneuerungder Handelsverträge unmöglich gemacht wird, ob wir durch eine solcheMaßregel in Zollkriege mit unsren wichtigsten Absatzländern gestürztwerden, das ist den Agrariern durchaus gleichgültig. Ja ein großerTeil von ihnen nimmt prinzipiell Stellung sowohl gegen langfristigeTarifverträge als auch gegen Meistbegünstigungsverträge. Sie wollenkeine Bindung der Zollsätze; sie wollen auch keine Bindung, die ein-zelnen Staaten die Behandlung auf gleichem Fuß mit andern Staatenzusichert. Sie wollen vielmehr volle Zollautonomic. Deutschland sollsich freie Hand vorbehalten, damit es auf die zunächst erstrebten Zoll-erhöhungcn eventuell noch weitere folgen lassen kann, sobald solche derRegierung, bezw. dem Bund der Landwirte wünschenswert erscheinen.So weit geht freilich nur die radikalste Gruppe der Agrarier, dieLeuteder schärfsten Tonart"; der größere und gemäßigtere Teil nimmt aufdie Lebensbedingungen der übrigen Erwerbszweige wenigstens so vielRücksicht, daß er Handelsverträge nicht a limius von der Hand weist;er will neue Handelsverträge zulassen, aber nur unter der Bedingung,daß sie sich mit den verlangten beträchtlichen Zollerhöhungen auf dielandwirtschaftlichen Produkte vereinbaren lassen. Da hierauf wenigAussicht ist, kommen die Forderungen der gemäßigten Agrarier prak-tisch auf dasselbe hinaus, wie diejenigen der radikalsten Gruppe. DerAbschluß neuer Handelsverträge, welche unsrem Verkehr mit demAuslande ein ähnliches Maß von Freiheit und Sicherheit gewähr-leisten wie die nunmehr ablaufenden, wird sich nur gegen dasAgrariertum durchsetzen lassen.

Die politische Organisation der Agrarier beansprucht, als Ver-tretung der Interessen der gesamten deutschen Landwirtschaft angesehenzu werden. Wir wollen hier die Berechtigung dieses sehr bestrittenenAnspruchs nicht in Zweifel ziehen darauf werde ich später nocheingehen, sondern wir wollen einmal annehmen, daß thatsächlich