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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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Im allgemeinen war der Preisstand im Durchschnitt der Jahre 1898bis 1900 nicht nur beträchtlich günstiger als in der ersten Hälfte der90 er Jahre, sondern sogar höher als in den Jahren 1885 bis 1887.Dieser letztere Punkt ist um so wichtiger, als im Jahre 1887 die Zoll-erhöhung von 3 auf 5 Mk. nicht etwa vorgenommen worden ist, weil FürstBismarck diese Erhöhung als unumgänglich notwendig zum Schutzder Landwirtschaft angesehen hätte, sondern das hat Freiherr vonMarschall seinerzeit als Staatssekretär des Auswärtigen im Reichs-tage bei der Beratung des russischen Handelsvertrags nachdrücklichhervorgehoben diese Zollerhöhung ist in erster Reihe hervorgegangenaus der Notwendigkeit, Rußland ein Paroli zu bieten für seine gegenDeutschland gerichteten Zollerhöhungen im Frühjahr 1887. Der imJahre 1887 eingeführte Fünfmarkzoll war also nicht in erster Linieals Schutzzoll für die Landwirtschaft, sondern als Kampfzoll gegenRußland gedacht; aber dadurch wurde die Entrüstung der Agrariernicht abgeschwächt, als dieser Kampfzoll, nachdem er seine Schuldig-keit gethan, wieder aufgehoben wurde und an seine Stelle ein Zolltrat, der immer uoch um 50 Pf. höher war, als der vor 1887 be-stehende. Das ist ein Beispiel dafür, wie leicht es ist, landwirtschaft-liche Zölle zu erhöhen, und wie schwer, wenn es das allgemeine In-teresse erfordert, sie wieder herabzusetzen.

Soviel steht jedenfalls fest, daß im ganzen wenn man voneinem oder zwei besonders ungünstigen Jahren absieht die Getreide-preise sich während der Ära der Handelsverträge wesentlich besser ge-halten haben, als es von agrarischer Seite dargestellt zu werden pflegt,und daß die Preisgestaltung speciell der letzten Jahre, etwa von 1897an, der Landwirtschaft nicht mehr Gelegenheit zu Klagen giebt, alsdie Preise um die Mitte der 80 er Jahre.

Soweit aber im großen Ganzen das Preisniveau während derÄra der Handelsverträge ein niedrigeres war als vorher, ist es nichtangängig, lediglich der durch die Herabsetzung der Getreidezölle be-wirkten Erleichterung der Getreidezufuhr aus dem Auslande, der an-geblichenÜberschwemmung" des deutschen Marktes mit ausländischemGetreide, die Schuld au dem Preisrückgang zuzuschreiben. In der Ver-sorgung des deutschen Marktes mit Brotgetreide sind von der Ära

Durchschnittspreis für Weizen pro 1898 auf 194 Mk. an; das ist ein höherer Preis-stand als er, mit Ausnahme der Jahre 1890 und 1891, seit 1833 zu verzeichnen war!