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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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derzeitigen Grundbesitzern, und daß ferner der Gesamtheit der Land-wirte, nicht etwa nur einem Bruchteil, aus den Getreidezöllen ein Vorteiloder vielmehr der unbedingt notwendigeSchutz" erwachse.

In Wirklichkeit trifft das jedoch nicht ganz zu.

Zunächst ist an den Getreidezöllen nur ein Teil der sämtlichenLandwirte interessiert, nämlich diejenigen, die mehr Getreide produzieren,als sie in ihrer eigenen Wirtschaft verbrauchen. Im allgemeinen wirdangenommen, daß erst die landwirtschaftlichen Betriebe von 5 Hektaran mit ihrer Getreideproduktion über ihren eigenen Verbrauch hinaus-gehen. Professor Conrad teilt in seiner neuesten Publikation mit, daßihm gelegentlich des Studiums der bäuerlichen Verhältnisse in denKreisen Fulda und Lauterbach allgemein versichert worden sei, daßder Bauer erst bei einem Besitz von 10 lia beginne, Getreide zu ver-kaufen. Bei weniger Land werde alles Brotgetreide, das nicht zurmenschlichen Nahrung gebraucht werde, verfüttert. ^ Nehmen wir aberan, die Grenze sei bereits bei fünf Hektar und untersuchen wir aufdieser Grundlage, welcher Teil der landwirtschaftlichen Betriebe anhohen Getreidepreisen interessiert ist.

Bei der Zählung von 1895 wurden iu Deutschland ermittelt5 558 317 landwirtschaftliche Betriebe. Davon kamen auf die Betriebemit Weniger als 2 w landwirtschaftlich nutzbarer Fläche 3 236367,das sind mehr als die Hälfte (58,2 °/o) sämtlicher Landwirtschafts-betriebe. Auf die Betriebe unter fünf Hektar kamen 4 252 685, dassind 76,3 °/o, mehr als drei Viertel sämtlicher landwirtschaftlichenBetriebe. Man kann also sagen, daß drei Viertel aller landwirt-schaftlichen Betriebe nicht an den Getreidezöllen interessiert sind. Be-triebe von mehr als 5 ü» gab es nur 1 305 632. Diesen Betriebenwürde eine Bevölkerungszahl von 6^2 Millionen Köpfen entsprechen auf jeden Betrieb eine fünfköpfige Familie gerechnet. Das istnicht einmal ein Achtel der Reichsbevölkerung. Die übrigen siebenAchtel sind zu einem kleineren Teil, soweit sie aus Landwirten be-stehen, deren Gctreideproduktion ihren Bedarf gerade deckt, den Getreide-zöllen gegenüber weder nach der einen noch nach der andern Seite in-teressiert; zum größten Teil werden sie durch die erhöhten Getreide-zöllc belastet, Sie haben den in die Reichskasse fließenden Zoll zutragen und außerdem au die getreideverkaufenden Landwirte den Be-

i A. a. O., S. IIS.