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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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sein zwischen Ländern mit grundverschiedenen Naturbedingungen fürdie Produktion, zwischen den Ländern verschiedener Erdteile und ver-schiedener Zonen?

Und wenn eine solche Arbeitsteilung sich erhalten und fortbildenkann innerhalb eines und desselben großen Zweiges der Volkswirt-schaft, innerhalb der Industrie, sollte sich da, trotz aller industriellenFortschritte der Gebiete, die uns heute mit Rohstoffen und Nahrungs-mitteln versehen, nicht auch die Arbeitsteilung ausrecht erhalten lassenzwischen den so verschiedenen Zweigen der Urproduktion und der Stoff-verarbeitung ? Sollten da die Länder mit über den Durchschnitt gün-stigen Bedingungen für die Industrie, Länder mit großen Eisen- undKohlenlagern und einem gemäßigten Klima, das die industrielleArbeit leichter ermöglicht, sollten solche Länder nicht fortfahren,Jndustrieerzeugnisse überwiegend zu exportieren und dafür aus Gebietenmit fruchtbarem Boden und günstigem Klima Rohstoffe und Nahrungs-mittel zu importieren? Beide Teile werden ihre Rechnung dabeifinden, um so mehr, je weniger Hindernisse dem Verkehr entgegen-stehen und je höher die Entwicklungsstufe der Volkswirtschaft unddamit der Grad der Arbeitsteilung in beiden Gebieten ist.

Davon, daß unsre gegenwärtige Entwicklung, deren Schwerpunktin der Industrie liegt, über kurz oder lang zu einem Zusammenbruchführen müsse, kann also keine Rede fein. Es werden sich freilichinfolge der niemals ruhenden Verschiebung der Produktionsverhältnissestets gewisse Änderungen in der internationalen Arbeitsteilung unddementsprechend gewisse Verschiebungen in unsrem Außenhandel, wieschon in der Vergangenheit, so auch in der Zukunft als notwendigherausstellen, und solche Übergänge vollziehen sich nie ohne Schwierig-keiten und Krisen für die betroffenen Produktionszweige. Das ist nuneinmal der Preis, der gemäß den unerbittlichen Gesetzen unsrer Wirt-schaftsordnung für jeden wirtschaftlichen Fortschritt gezahlt werdenmuß. Aber was sind diese unvermeidlichen Übergangskrisen im Ver-hältnis zu der Katastrophe, in die uns die Erfüllung der agrarischenWünsche stürzen würde! Unter dem Vorwand der Verhütung einesZusammenbruchs der deutschen Exportindustrie tragen die Agrarierkein Bedenken, schon jetzt unsren Export und die durch ihn beschäftigtenArbeiter durch eine Nichterneuerung der Handelsverträge oder gar durcheinen allgemeinen Zollkrieg dem Verderben preiszugeben!

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