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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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auf der Möglichkeit des Verkehrs mit dem Weltmarkt, ihre weitereEntwicklung ist abhängig von der Erleichterung und Ausdehnungdieser Beziehungen. Kein Wunder, daß diese Kreise, soweit sie ihreigenes Wohl und Wehe klar erkennen, sich gegen die verkehrsfeind-lichen Bestrebungen auflehnen; zu verwundern ist es eher, daß dieseKreise in der Wahrnehmung ihrer Lebensintcressen an Energie undGeschlossenheit weit hinter den Agrariern zurückbleiben, daß inbreiten Schichten der Industrie und des Handels Unklarheit undGleichgültigkeit herrscht, so daß diese wichtigen Zweige der nationalenArbeit bisher nicht entfernt das volle Schwergewicht ihrer wirklichenBedeutung in die Wagschale werfen.

Wenn wir uns von den praktischen Interessen abwenden und auch hierdie theoretisch-volkswirtschaftlichen Erwägungen betrachten, so finden wir,daß namhafte Autoritäten die Ansicht vertreten, daß die großen wirt-schaftlichen Fortschritte der letzten Jahrzehnte, die eine nie dageweseneHebung der materiellen Kultur herbeigeführt haben, nur möglichgewesen find auf Grund der Verflechtung unsrer Volkswirtschaft indie Weltwirtschaft, daß jeder Schritt zur Aufhebung dieser Verbindung,daß jeder Schritt zur wirtschaftlichen Isolierung uns zu wirtschaft-lichem Rückgang verurteilen und die Lebenshaltung und die Zahlunsrer Bevölkernng unter schweren Krisen und Katastrophen zurück-schrauben müßte.

Unter denen nun, die in der Erhaltung und Pflege unsrer wirt-schaftlichen Beziehungen zur Außenwelt das erstrebenswerte Ziel er-blicken, sind die Meinungen darüber geteilt, wie weit diese wirtschaft-lichen Beziehungen durch die Entfaltung politischer Macht zu stützenund zu fördern sind. Vielfach hört man die Meinung äußern, unsreExportindustrie und unser Welthandel seien groß geworden, ohne daßihnen eine wesentliche Förderung durch Schlachtschiffe und Kanonen zuteil geworden sei, und der deutsche Exporteur und Kaufmann werde sichdurch seine wirtschaftliche Tüchtigkeit, durch die Güte und Billigkeitfeiner Waren, auch in Zukunft fortzuhelfen wissen. Die extremsteAnsicht auf der anderen Seite, wie sie ein jüngerer Nationalökonomformuliert hat, geht dahin, daß wir nur dann ruhig schlafen könnten,wenn wir die Länder, aus denen wir Nahrungsmittel beziehen undnach denen wir unsre Jndustrieerzeugnisse absetzen, unter der Kontrolleunsrer Kanonen wüßten. Der Ausbau unsrer Kriegsflotte und dieVermehrung unsres Kolonialbesitzes haben diese Meinungsverschieden-