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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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bewegte. Nur dadurch, daß der fehlende Roggen damals teilweise durchden amerikanischen und indischen Weizen ersetzt wurde, ist Deutschland vor einer förmlichen Hungersnot und einer allgemein-wirtschaftlichenKatastrophe bewahrt geblieben. Aber trotzdem Amerika und Indiendurch reiche Zufuhren den Ausfall unserer Getreideernte ergänzten,stieg der durchschnittliche Preis für Roggen (loco Danzig , verzollt)von 159,4 Mk. pro Tonne im Jahre 1890 auf 208.1 Mr. im Jahre1891, um dann bei den reichen Ernten der folgenden Jahre wiederbis auf 110,4 Mk. im Jahre 1894 zu sinken. Diese starken Fluktuationenermöglichen einen Begriff davon, welche noch viel größere Preis-schwankungen hätten eintreten müssen, wenn nicht eine gewisse Aus-gleichung des für den deutschen Nahrungsbedarf zur Verfügungstehenden Getreides durch den Außenhandel bewirkt worden wäre. DieAnsicht, die häufig von agrarischer Seite geäußert wird, daß der inter-nationale Handel die Hauptursache der Preisschwankungen des Ge-treides sei, ist gänzlich verkehrt. Ein Vergleich mit den sehr vielheftigeren Fluktuationen in den früheren Zeiten eines weniger ent-wickelten Verkehrs beweist das Gegenteil und führt zu demselbenResultat, wie die Folgerung aus der Thatsache , daß die Welterntevon Jahr zu Jahr eine wesentlich größere Gleichmäßigkeit ausweistals die Ernte der einzelnen Länder. Der auswärtige Handel alleinermöglicht eine relativ stabile, von den Witterungsverhältnissen unddem Ernteausfall des eigenen Landes unabhängige Versorgung desGetreidcbedarfs und damit relativ beständige Preise. Dadurch wirdgleichzeitig der gesamten Volkswirtschaft jene Stetigkeit, die eine derwichtigsten Voraussetzungen für eine gedeihliche Entwicklung ist, inviel höherem Grade gesichert, als es bei einer nationalwirtschastlichenIsolierung möglich wäre. Dieser große Vorteil kommt zu demjenigender Erhöhung der Produktivität der nationalen Arbeit noch hinzu.

Gegenüber diesen großen Vorzügen des auswärtigen Handelswerden freilich von der einen und anderen Seite gewisse nachteiligeWirkungen hervorgehoben.

Die Erleichterung und Verbilligung des Handelsverkehrs wirktdahin, daß die Prodnktionsvorteile der einzelnen Länder in den ver-schiedenen Zweigen der Volkswirtschaft immer mehr zur Geltungkommen, daß in jedem einzelnen Land zwar diejenigen Produktions-zweige, die sich günstigerer Voraussetzungen erfreuen als im Ausland,

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