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alten und den neuen Ländern liegt — von den natürlichen Ver-schiedenheiten der Produktionsbedingungen abgesehen — zu einemguten Teil der Schlüssel sür die moderne Entwicklung der inter-nationalen Arbeitsteilung, welche die alten Länder, soweit ihnen nichtdie natürlichen Voraussetzungen fehlen, zu sogenannten „Industrie-staaten" hat werden lassen.
Das Wort „Industriestaat" ist in der handelspolitischen Polemikzu einem Schlagwort schlimmster Sorte geworden. Namentlich dieagrarischen Agitatoren haben mit dem Wort „Industriestaat" eineFülle der erschrecklichsten Vorstellungen verbunden; für sie bedeutetder Industriestaat die Vernichtung der Landwirtschaft, die Untergrabungder auf dem Bauernstand beruhenden deutschen Wehrkraft, die Preis-gabe des königstreuen Mittelstandes, die schrankenlose Erweiterungder socialen Gegensätze, kurz die Zerstörung der Fundamente, auf denenStaat und Königtum beruhen.
Wir stellen zunächst alle diese mit dem Wort Industriestaat ver-knüpften Schreckbilder zurück, um nüchtern zu erwägen, welcher ver-nünftige Begriff sich mit dem Wort Industriestaat verbinden läßt,und wie sich bisher die Verhältnisse in den sog. Industriestaaten ent-wickelt haben.
Als Industriestaaten können wir diejenigen Länder bezeichnen,bei welchen in der Ausfuhr die Jndustrieerzeugnisse, in der Einfuhrdie Rohstoffe und Nahrungsmittel überwiegen; Rohstoffstaaten hatman umgekehrt diejenigen Länder genannt, die mehr Fabrikate ein-führen als ausführen und mehr Rohstoffe und Nahrungsmittel aus-führen als einführen. Wenn wir aber diese Unterscheidung machen,dann gehört Deutschland heute bereits ganz und gar zu den Industrie-staaten. Deutschlands Außenhandel hatte im Jahre 1899 ^ folgendeGestalt:
Nahrungsmittel, Genußmittel und Vieh wurden eingeführt für 1728Millionen Mk., ausgeführt für 479 Millionen Mk. Der Überschußder Einfuhr betrug mithin etwa 1250 Millionen Mk., 1'/4 Milliarde!— Rohstoffe zur Verarbeitung wurden eingeführt für 2607 MillionenMark, ausgeführt für 1016 Millionen Mk. Die Mehreinfuhr betrugmithin etwa 1590 Millionen Mk, — Dagegegen betrug die Ausfuhrvon Fabrikaten 2712 Millionen Mk., bei einer Einfuhr von nur
i Für 1900 liegen die definitiven Zahlen noch nicht vor.