— 34 —
Beschaffung des Nahrungsbedarfs gleichbedeutend mit einem Rückgangder Rentabilität der europäischen Landwirtschaft. Die Möglichkeit,den Bedarf an Getreide u. s. w. mit wesentlich geringeren Kosten zu ver-sorgeu, brachte den starken Rückgang der Getreidepreise, unter dem dieeuropäische Landwirtschaft seit Jahrzehnten leidet und der ihre weitereAusdehnuug nicht nur gehindert, sondern stellenweise, namentlich inEngland , zu einer beträchtlichen Abnahme der landwirtschaftlichenProduktion geführt hat, indem der am wenigsten ergiebige Bodenwieder außer Kultur gesetzt wurde oder indem man von der intensivenwieder auf die weniger kostspielige extensive Kultur zurückgriff, vomGetreidebau auf die Weidewirtschaft.
Aber während die agrarische Konkurrenz der neuen Länder dieeuropäische Landwirtschaft dadurch hart bedrängte, daß sie dereuropäischen Bevölkerung billigere Nahrung lieferte, fand die Industrieder alten Länder an der aufblühenden Bevölkerung der neuen Ländereinen erweiterten Absatz. Hier bewahrten die alten Gebiete geradeinfolge der Vorteile, die auf ihrer dichten Bevölkerung und ihremKapitalreichtum beruhen, nicht nur ihre Stellung, hier fanden sie auchden Boden für eine lohnende Beschäftigung ihrer weiter zunehmendenBevölkerung.
Die Ziffern unsres auswärtigen Handels, die ich Jhneu mitgeteilthabe, sind der äußere Ausdruck für die innere Umwandlung, welchesich in den europäischen Volkswirtschaften in den letzten Jahrzehntenvollzogen hat. Was Deutschland speciell anlangt, so produzierte esbeim Beginn der 70 er Jahre seinen Nahrnngsbedarf im wesentlichennoch selbst. Die industrielle Bevölkerung blieb an Zahl noch beträcht-lich hinter der landwirtschaftlichen zurück. Seither hat sich die deutscheVolkswirtschaft ganz und gar nach der industriellen Seite hin ent-wickelt. Nach den Berufszählungen von 1882 und 1895 hat sichinnerhalb dieses Zeitraumes von nur 13 Jahren folgende Verschiebungergeben:
Die landwirtschaftliche Bevölkerung ist von 19,2 auf 18,5 MillionenSeelen zurückgegangen, die industrielle Bevölkerung ist von 16,1 auf20,3 Millionen, die handeltreibende von 4,5 auf 6 Millionen gestiegen.Von der gesamten Reichsbevölkerung gehörten 1882 der Landwirtschaft42,5«/°. der Industrie 35,5»/° an, im Jahre 1895 dagegen der Land-wirtschaft nur noch 35,7»/°, der Industrie 39,1"/°. Industrie und Land-wirtschaft haben also in diesen 13 Jahren, was die Zahl der in ihnen