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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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der Edelmctallzufuhr und zur Verhinderung des Edelmetallabflusses zurBegünstigung der Ausfuhr und Beschränkung der Einfuhr von Warenübergegangen war, ebenso ging man bald einen Schritt weiter, nämlichvon der direkten Beförderung der Warenausfuhr und Beschränkung derWarencinfuhr zur mittelbaren Einwirkung auf den Warenhandel. DieBeobachtung, daß die fertigen Fabrikate einen höheren Preis habenals die Rohstoffe und Halbfabrikate, lag auf der Hand. Eine möglichststarke Ausfuhr fertiger Fabrikate mußte deshalb als das erstrebens-werte Ziel erscheinen, und dieses Ziel war nur zu erreichen durcheine planmäßige Hebung der inländischen Industrie, sei es selbst aufKosten derjenigen Erwerbszweige, welche die Urproduktion pflegen, sonamentlich der Landwirtschaft.

Solange der Staat für seine Zollpolitik rein fiskalische Gesichts-punkte maßgebend sein ließ, benutzte er die Grenzen des Landes undauch Zollschranken im Innern, um die Waren, welche diese Grenzenüberschritten, zu besteuern. Ob sie in das Land hinein oder aus demLand herausgingen, danach wurde nicht viel gefragt; die HauptsacheWar, daß sie dem Fiskus Geld brachten. Das wurde anders, nachdemhandelspolitische Gesichtspunkte an die Stelle der fiskalischen getretenwaren. Sobald man zur Beförderung der Edelmetallzufuhr den Ex-port von Jndustrieerzeugnissen zu heben wünschte, mußte man dieAusfuhrzölle und die übrigen Ausfuhrerschwerungen für solche Warenbeseitigen, ja eventuell selbst die Ausfuhr durch Gewährung von Aus-fuhrprämien erleichtern, die Einfuhr dagegen gänzlich verbieten oderdurch Zölle erschweren. Vor allem aber mußte man suchen, dieIndustrie im Lande groß zu ziehen durch eine künstliche Begünstigungihrer Existenzgrundlagen. Das Gedeihen einer Industrie und ihreKonkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt hängt nun in hohem Gradeab von der Billigkeit der Rohstoffe und der Lebensmittel. Von dieserErwägung kam der Merkantilismus dazu, die Ausfuhr der im Inlandgewonnenen Rohstoffe und Nahrungsmittel zu verbieten oder wenigstenszu erschweren und ferner die Einfuhr von Rohstoffen und Nahrungs-mitteln aus dem Ausland, im Gegensatz zur Einfuhr von Jndustrie-erzeugnissen, zu erleichtern und zu befördern. Wenn die Rohmaterialienim Lande völlig verarbeitet werden, ehe sie zur Ausfuhr gelangen, sowird dem aufgestellten Ziel ungleich besser gedient, als wenn sie un-verarbeitet zu geringeren Preisen ins Ausland gehen und dort der aus-ländischen Industrie als Rohmaterial dienen. Diese Gedanken finden

Helfferich, Handelspolitik. 4