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fand damit bis zum Ende des 18. Jahrhunderts allenthalben Nach-ahmer, nicht zum wenigsten in Preußen unter Friedrich dem Großen.Freilich zeigt die praktische Verwirklichung des merkantilistischenGedankenkreises in den einzelnen Ländern erhebliche Abweichungen.In England gelang es dem einflußreichen Großgrundbesitz frühzeitig,einen starken Zollschutz auch sür landwirtschaftliche Produkte durch-zusetzen, und damit war das eigentliche Merkantilsystem in einem sehrwesentlichen Punkte durchbrochen. Vielfach trat auch der ursprünglicheAusgangspunkt, das Streben nach der möglichsten Vermehrung des natio-nalen Edelmetallbestandes zurück hinter einem anderen Gesichtspunkt,hinter dem Bestreben, durch die künstliche Schaffung und Begünstigungvon Industrien den Spielraum sür die Bevölkerung zu erweitern; sonamentlich im fridericianischcn Preußen . Wir haben damit bereitsAnklänge und Übergänge zu den modernen Systemen einer Protektioni-stischen Handelspolitik.
Charakteristisch für die merkantilistische Handelspolitik sind jedochnicht nur ihre Gedankengänge und Zwecke, sondern auch die Wege,die sie einschlug.
Die merkantilistische Handelspolitik arbeitete keineswegs immernur mit friedlichen Mitteln. Eine so starke Einmischung der Staats-gewalt in das Getriebe des internationalen Handels, wie sie dermerkantilistische Gedanke verlangt, muß schließlich zu Gewaltmaßregelnführen, sobald sich Länder von nahezu gleicher politischer Stärke undvon gleichen Handelsaspirationen gegenüberstehen. Wenn jedes Landdie andern durch Verbote und Verkehrsbeschränkungen möglichst vonseinem Markt ausschließen und seinen Absatz auf den fremden Märktenmöglichst forcieren will, so ist klar, daß dieser Zweck schließlich durchfriedliche wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht mehr zu erreichen ist,und daß die Staaten in Versuchung geführt werden, zu sagen: „undbist Du nicht willig, so brauch' ich Gewalt."
Und es handelte sich ja für den Merkantilismus in allen seinenKonsequenzen nicht nur darum, möglichst viel Waren auszuführenund möglichst wenig einzuführen. Die große Bedeutung des aus-wärtigen Handels, namentlich des Seeverkehrs, — eine Bedeutung,die ja gerade von den Merkantilisten noch so sehr überschätzt wurde —führte dazu, daß die aufstrebenden Nationen ihren ganzen Außen-handel selbst in der Hand haben und vermitteln wollten. Den stärkstenAusdruck haben diese Bestrebungen in der bekannten Navigations -