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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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Hause machen zu wollen, was er billiger einkaufen kann. WasKlugheit im Verhalten jeder einzelnen Familie ist, das könne un-möglich für ein großes Land Thorheit sein. Wenn ein fremdes Landuns eine Ware billiger liefern kann, als wir sie herstellen können, sofahren wir am besten dabei, wenn wir diese Ware von dem fremdenLand kaufen im Austausch gegen andere Waren, sür deren Herstellungdie Bedingungen bei uns günstiger sind. Es sei das Interesse dergroßen Masse des Volkes, die benötigten Waren von denen zu kaufen,die sie am billigsten herstellen. Dieser sonnenklare Satz wäre niemalsin Zweifel gezogen worden, wenn es nicht Kaufleute und Fabrikantenverstanden hätten, in ihrem Sonderinteresse den gesunden Menschen-verstand zu verwirren, um Zölle aus ihre Produkte zu erlangen undso dem Volke das billigere Angebot von außerhalb fern zu halten.Die Produzenten der geschützten Waren allein vermöchten höhere Ge-winne aus ihren Unternehmungen zu ziehen; aber diesen höherenGewinnen entspreche nicht nur nicht eine Vermehrung, sondern direkteine Verminderung der nationalen Produktivität und des Volkswohl-standes. Die vermehrten Gewinne der Produzenten rühren nur daher,daß die Verbraucher der Waren höhere Preise zahlen müssen als beiFreihandel, daß also aus ihren Taschen ein größerer Betrag in die-jenigen der Fabrikanten wandert. Also was die Fabrikanten und diesonstigen Produzenten geschützter Waren mehr haben, das haben dieVerbraucher weniger, und insoweit ist hinsichtlich des Gesamteinkommensder Volkswirtschaft anscheinend alles wie es vorher war. Aber dadie Gesamtproduktion eines Landes begrenzt sei durch das verfügbareKapital, da infolgedessen staatliche Eingriffe nicht die Größe derProduktion vermehren, sondern nur die Richtung der produktivenThätigkeit verändern könnten, so müsse der Schutz sür einzelne Waren-gattuugen dazu führen, daß diesen Produktionszweigen ein größererTeil des nationalen Kapitals und der nationalen Arbeitskräfte sichzuwende, der naturgemäß denjenigen Zweigen der Produktion entzogenwerde, in denen günstigere natürliche Bedingungen vorhanden sindund in denen deshalb das Kapital nnd die Arbeit eine größere Güter-menge erzeugt haben würden.

Wenn z. B. in einem Lande der Bedarf an Tuch mit einemKostenaufwand von 100 hergestellt werden kann, der Bedarf an Eisenzu 200; umgekehrt in einem Nachbarlande der Bedarf an Tuch nurzu 200, der Bedarf an Eisen aber zu 100, so finden beide Länder

Helfferich, Handelspolitik. g