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gestattet mit der Ausnutzung der Verschiedenheit der Produktions-bedingungen die höchste Steigerung der nationalen Gütererzeugung.
Dabei ist zu beachten, daß der freie Handel nicht nur die Aus-nutzung der absoluten, sondern auch der relativen Verschiedenheiten derProduktionsbedingungen ermöglicht; ein Umstand, den zuerst Ricardoan folgendem Beispiel erläutert hat:
Man nehme an, daß England zur Produktion einer gegebenenMenge Tuch die Jahresarbeit von 100 Männern, zur Produktioneines bestimmten Quantums Wein die Jahresarbeit von 120 Männernaufwenden müsse; daß dagegen in Portugal die Produktion des Weinsnur die Jahresarbeit von 80 Männern, die Produktion des Tuchsdie Jahresarbeit von 90 Männern koste. Unter dieser Voraussetzungwürde Portugal aus England Tuch mit Vorteil importieren können,obwohl die Kosten der Produktion in Portugal niedriger wären als inEngland , indem sie nur 90 gegen 100 Jahresarbeiten ausmachten. Dennes bliebe für Portugal immer noch lohnender, sein Kapital und seineArbeit auf die Produktion von Wein zu verlegen, bei dem der Unter-schied der Produktiouskosten — 80 gegen 120 Jahresarbeiten — einuoch wesentlich größerer ist. Da Tuch in England billiger ist alsWein, während in Portugal die Produktionskosten des Tuchs höheresind als die des Weins, kann Portugal das Tuch billiger beschaffen,wenn es dasselbe im Austausch gegen Wein aus England bezieht, alswenn es einen Teil seiner Kapitalien und seiner Arbeit statt auf denWeinbau auf die Tuchproduktion verwenden würde.
Freilich würde es, wie Ricardo selbst hervorhob, sür die Kapi-talisten in England und die Gesamtheit der Konsumenten beiderLänder am vorteilhaftesten sein, wenn sowohl Wein als auch Tuch inPortugal , dem Land der günstigsten Produktionsbedingungen, her-gestellt würden. Aber die Erfahrung zeige, daß das vermeintliche oderwirkliche Risiko der Kapitalanlagen im Ausland in Verbindung mitder natürlichen Abneigung des Menschen, sein Heimatland zu ver-lassen, der Auswanderung des Kapitals nach den Ländern der absolutgünstigsten Produktionsbedingungen entgegenwirke. Solange aberdiese Gegenwirkung bestehe, ermögliche der auswärtige Handel nichtnur die Ausnutzung der absoluten, sondern auch der relativen Ver-schiedenheiten der Produktionskosten in den einzelnen Ländern. Auchwenn lediglich eine relative Verschiedenheit der Produktionskosten vor-liegt, führt der Außenhandel zu einer gesteigerten Produktivität der
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