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Ökonomie und für die Handelspolitik in allererster Reihe ankomme,nämlich die Nation, dieses Zwischenglied, werde von der englischenSchule gänzlich ignoriert. Und gerade die Nation, ihr Gedeihen undihr Fortschritt, wurde von List zum Ausgangspunkt seines Systemsgemacht.
List gab zu. daß die Handelsfreiheit das beste System sei, wennman die möglichste Steigerung der Produktiv» in der ganzen Welt-wirtschaft und wenn man außerdem eine gegebene Verteilung derproduktiven Kräfte auf die einzelnen Länder im Auge habe. Aberebenso wie die möglichste Steigerung der Gütcrerzeugung in einemLand die Interessen von Einzelnen verletzen kann, ebenso könne dasPrinzip der möglichsten Steigerung der Produktion in der ganzenWeltwirtschaft dazu führen, einzelne Nationen zurückzudrängen oderin ihrer Entwicklung zurückzuhalten. Ferner steht die Listsche Theorie,im Gegensatz zur englischen Freihandelslehre, ans dem Boden, daß diein einem gegebenen Augenblick vorhandene Verteilung der produktivenKräfte auf die einzelnen Länder durchaus kein unabänderlicher, sondernzum Teil ein historisch gewordener und auch in der Zukunft veränder-licher Zustand sei. Freilich, gewisse Naturthatsachen, wie Klima,Bodensruchtbarkcit, Mincralreichtum u. s. w. entziehen sich der mensch-lichen Beeinflussung und bilden die Grundlage einer natürlichen undfür alle Zeiten feststehenden Arbeitsteilung zwischen den einzelnenLändern und Völkern. So sprach List die Ansicht aus, daß die Tropenfür alle Zeiten dazu bestimmt seien, den Ländern der gemäßigten ZoneRohstoffe, wie Baumwolle und Seide, Nahrungs- uud Genußmittel,wie Reis, Thee , Kaffee, Kakao u. f. w., zu liefern, und daß dafür dieLänder der gemäßigten Zone die Tropen mit Erzeugnissen des Gcwerbe-fleißes, mit Fabrikaten aller Art zu versehen hätten. Aber List legteden Hauptnachdruck auf die Thatsache , daß neben diesen Grundlageneiner natürlichen Arbeitsteilung produktive Kräfte vorhanden sind, diein der Ausbildung und Zahl der Bevölkerung und in dem Kapital-reichtum der einzelnen Länder ihre Wurzel haben, produktive Kräfte,die jedes Land in seinem eigenen nationalen Interesse zur größtenLeistungsfähigkeit erziehen müsse und die es durch Maßregeln derWirtschaftspolitik, vor allem durch Maßregeln der äußeren Handels-politik erziehen könne.
Nach List durchlaufen die Nationen in ihrer Kulturentwicklungfolgende Stadien: den Zustand der Barbarei, den Hirtenstand, die