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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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die Zeit der Entwicklung einen Schutz gegen die übermächtige aus-ländische Konkurrenz gewähre. Auf industriellem Gebiet haben dieLänder mit altem Kapitalreichtum, mit entwickelter Maschinentechnik,mit erfahrungsreichen Unternehmern und geschulten Arbeitskräfteneinen großen Vorsprung vor allen Ländern, die sei es anch auf Grundder günstigsten Naturbedingungen ihre Manufakturkraft entwickelnund ihre Industrie hochbringen wollen. Die alten Industrien sindim stände, billiger zu produzieren als die neuen und so deren Auf-kommen überhaupt zu verhindern. Das hatte sich besonders deutlichgezeigt nach Aufhebung der Kontinentalsperre. Unter dem Schutzdieser Gcwaltmaßregcl hatte sich in Deutschland eine Industrie ent-wickelt, die, als ihr dieser Schutz entzogen wurde, sich gegen die englischeKonkurrenz nicht halten konnte, nicht, weil ihr etwa die natürlichenVoraussetzungen gefehlt hätten, sondern nur, weil Unternehmern undArbeitern noch die entsprechende Schulung und Ausbildung fehlte.Wenn hier also der Staat seine produktiven Kräfte voll entwickelnwolle, dann könne er gar nicht anders, als durch Einfuhrzölle auffremde Fabrikate der Industrie die Möglichkeit einer Entfaltung undSchutz vor der überlegenen Konkurrenz des Auslandes gewähren, undzwar bis zu dem Zeitpunkt, an dem die industrielle Erziehung alsvollendet angesehen werden könne. Niemals aber dürfe der Zoll ein sohoher sein, daß er dem Prinzip der industriellen Erziehung entgegenwirke,daß er den Produzenten den mühelosen Besitz des heimischen Marktesgarantiere und dadurch den Ansporn zn technischen Verbesserungenund zur Anspannung aller Kräfte beseitige. Deshalb müsse auchschließlich, nachdem der industrielle Erziehungsprozeß vollendet sei, dieNation zum Freihandel zurückkehren, der auf die Dauer allein dienationale Industrie vor Erschlaffung und Indolenz bewahren könne.

List giebt, wie ich bereits erwähnt habe, durchaus zu, daß derindustrielle Erziehungszoll sür die Verbraucher von Jndustriewarenein Opser bedeutet und für die Versorgung der Gesamtheit vorüber-gehend eine Schmälerung des möglichen Maximums mit sich bringt.Dieses Opfer müsse gebracht werden in Hinblick auf den für die Zukunftzu erwartenden viel größeren Gewinn, der sich sowohl für die ein-zelnen Verbraucher wie auch für die Gesamtheit aus der Erziehungder produktiven Kräfte ergebe. Aber, das ist die Kehrseite: dieAuferlegung eines solchen Opfers ist nur dann gerechtfertigt, wenndieses Opfer wirklich einen solchen Gewinn in Aussicht stellt, wenn