durch einen Zollschutz wirklich die Erziehung eines nationalen Erwerbs-zweigs zu höherer Produktivität erreicht werden kann, wenn dienatürlichen Bedingungen für eine Steigerung der Produktivität undfür eine Entwicklung der Konkurrenzfähigkeit im Lande vorhandensind und wenn nur die Schulung der produktiven Kräfte fehlt; nichtgerechtfertigt aber ist das Opfer, welches der Gesamtheit durch Ein-fuhrzölle auferlegt wird, wenn eine solche Erziehung nicht in Fragekommt, wenn die Überlegenheit der ausländischen Konkurrenz aufNaturthatsachen beruht, die durch kein Eingreifen der Gesetzgebunggeändert werden können, wenn also die Zölle lediglich zur Erhaltungund Ausdehnung eines Produktionszweiges dienen, der aus natürlichenGründen nur teurer produzieren kann als das Ausland,
Deshalb hat List nur industrielle Schutzzölle gefordert und dieSchutzzölle auf landwirtschaftliche Produkte unbedingtverworfen. Denn während bei der Industrie die ÜberlegenheitEnglands zum größten Teil auf der industriellen Schulung seinerBevölkerung beruhte, sind bei der Landwirtschaft die Unterschiede inder Konkurrenzfähigkeit abhängig in erster Linie von der Verschieden-heit der Bodenfruchtbarkeit, und in zweiter Linie haben dünn be-siedelte vor dicht besiedelten Ländern einen Vorsprung, während Listja gerade die dichte Bevölkerung im nationalen Interesse als das er-strebenswerte Ziel ansah. So kam List zu dem Resultat: „Dieinnere Agrikultur durch Schutzzölle heben zu wollen,ist ein thörichtes Beginnen."
Die Listsche Theorie steht, wenn Sie alle diese Punkte in Betrachtziehen, nicht in dem schroffen Gegensatz zur Freihandelslehre, wie oftangenommen wird; sie ist vielmehr eine sehr beachtenswerte Fort-bildung der Freihandelslehre. Sie hat mit der Freihandelslehre vorallem den Ausgangspunkt gemeinsam, daß sie die möglichste Steigerungder Produktivität der Volkswirtschaft erstrebt und deu Weg dazu inder internationalen Arbeitsteilung und in dem internationalenWarenaustausch erblickt; freilich nicht in der Arbeitsteilung, die sichnach dem jeweiligen Stand der Ausbildung der produktiven Kräftein den einzelnen Ländern richtet, sondern nur in der Arbeitsteilung, dieder Verteilung der natürlichen Produktionsbedingungen entspricht,während die Ausbildung der in dem Stand und der Schulung derBevölkerung gegebenen produktiven Kräfte von jedem einzelnen Staatin seinem eigenen Interesse aufs möglichste zu fördern sei. Die