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übergehend zu bringendes Opfer auf die Dauer am stärksten zu be-fördern. Für die neue Schutzzollära find dagegen ganz andere Gc-dankengänge ausschlaggebend als die möglichst reichliche Versorgungder Konsumenten. Hier sind vielmehr die Interessen der einzelnenProduktionszweige Ausgangspunkt. Jeder Bcrusszweig. dem es schlechtgeht, einerlei aus welchem Grund, verlaugt, daß er geschützt wird.Wir hören täglich: die Landwirtschaft rentiert schlecht, folglich mußsie geschützt werden; kurz, je weniger leistungsfähig ein Zweig dernationalen Arbeit ist, desto größer ist sein Anrecht auf die staatlicheFürsorge und auf die durch Zölle und ähnliche Maßregeln erzwungeneUnterstützung durch die Gesamtheit der Konsumenten. Graf Kanitzhat vor einiger Zeit im Deutschen Landwirtschaftsrat ganz unverblümtden Satz aufgestellt: „Wenn irgend eine Ware bei uns im deutschenVaterlande nur unter größeren Kosten herzustellen ist als im Aus-land, so soll dieser Kostenuntcrschied durch den Schutzzoll ausgeglichenwerden." Diese Forderung bedeutet in ihrer Konsequenz den voll-ständigen Verzicht auf die Vorteile des Außenhandels, die ja geradedarin bestehen, daß gewisse Waren billiger vom Ausland bezogen, alsim Inland produziert werden können.
Eine solche Argumentation, die uns täglich in den Ohren klingt undan die sich die meisten Leute so gewöhnt haben, daß sie sie ganznatürlich finden, lag der englischen Freihandelstheorie und der ListschenSchntzzolltheorie in gleicher Weise fern. Das Interesse bestimmterKreise von Produzenten kam für beide Systeme nicht maßgebend inBetracht; denn die Produktion als solche war sür sie nicht Selbst-zweck, sondern lediglich das Mittel zum Zweck der Befriedigung desBedarfs; deshalb war man der Ansicht, daß die Produktion sich nachdem Bedarf, nach den Konsumenten zu richten habe, und daß sie sogestaltet werden müsse, daß sie eine möglichst reichliche Befriedigungaller Bedürfnifse, die möglichste Verbesserung der Lebenshaltung allerKlassen der Bevölkerung und die möglichst große Zunahme des Volks-wohlstandes gewährleiste. Kurz, man stand früher auf dem vielleichtdoch nicht so ganz unsinnigen Standpunkt, daß die Produktion sürdie Gesamtheit der Verbraucher da sei, nicht umgekehrt die Konsu-menten sür die Produzenten. Heute ist das ja nach der Ansichtmancher wirtschaftspolitifcher Größen ein gänzlich veralteter Stand-punkt. Der Konsument ist heute, namentlich in den Augen unsererAgrarier, eine (iimntits llßAliMkbls, ein durchaus nebensächliches