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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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es ließe sich beides erreichen; aber solange sich ein Land, das für unsreWaren ein wichtiger Abnehmer ist, nicht zu vertragsmäßiger Bindungseiner Zölle herbeiläßt, ist die Meistbegünstigung immer noch besser als dieVertragslosigkeit und die Differenzierung der Zölle zu unsrem Schaden.

Wenn wir uns nun zu den Tarifverträgen wenden, so finden wir,daß auch diese in sehr verschiedenem Grade die zollpolitische Autonomiebinden können. Sie können sich darauf beschränken, für wenige be-stimmte Warengattungen die Zölle festzulegen; sie können die Zu-sicherung enthalten, daß überhaupt gegenüber dem bestehenden Tarifkeine Zollerhöhungen während der Vertragsdauer vorgenommen werdenfallen; sie können schließlich eine Reihe von Zollermäßigungen gegenüberdem allgemeinen Tarif festsetzen.

In der Regel ist das letztere der Fall, Neben den allgemeinenZolltarif, der für Länder gilt, mit denen keine Handelsverträge bestehen,neben den sog, Generaltarif tritt dann ein Vertragstarif oderKonventionaltarif, an dessen Ermäßigungen gegenüber demGeneraltarif die Länder mit Meistbegünstigung participieren. Dereinheitliche Generaltarif bildet die Basis der Verhandlungen, und dieRegierungen haben es, vorbehaltlich der Genehmigung durch die gesetz-gebenden Körperschaften, in der Hand, Ermäßigungen der Zollsätze desGeneraltarifs zuzugestehen.

Das ist etwas ganz natürliches und selbstverständliches, und es wäregar nicht notwendig, ein weiteres Wort darüber zu sagen, wenn nicht inden letzten Jahren ein neuer Gedanke aufgekommen wäre, der Gedanke,an Stelle des einheitlichen Generaltarifs einen autonomen Doppel-tarif zu setzen. Dem Generaltarif, der als Maximaltarif gelten soll,will man einen Minimaltarif zur Seite setzen, unter den bei Verträgendie Zollsätze nicht sollen ermäßigt werden dürfen. Diejenigen Länder, diehinreichende Zugeständnisse machen, sollen den Minimaltarif erhalten,die übrigen werden mit dem Maximaltarif bedroht. Die Leute, welchediesen Gedanken für die Neuregelung unsrer handelspolitischen Verhält-nisse befürworten, geben sich dem Glauben hin, daß sich die Völker derWelt unbesehen um unsren zukünftigen Minimaltarif reißen und daßsie uns die schönsten Zugeständnisse dafür anbieten werden.

Ein solcher Glaube erscheint jedoch gänzlich ungerechtfertigt;entweder genügen dem fremden Staat unfre Konzessionen, und dannkommt ein Vertrag zu stand, einerlei ob diese Konzessionen vorherfür uns in einem Minimaltarif festgelegt sind oder nicht; jedenfalls