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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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Begeisterung für liberale Ideen in politischer und wirtschaftlicher Be-ziehung. Die Freihandelslehre wurde verbreitet und in immer weitereKreise getragen durch volkswirtschaftliche Parlamentarier und Publi-zisten, wie Priuce-Smith, Faucher, Otto Michaelis , Schulze-Delitzsch,Karl Braun, Victor Böhmert. Max Wirth und viele andere. DieFreihandelslehrc war ein integrierender Bestandteil der gesamtenpolitischen und wirtschaftspolitischen Überzeugungen dieses Kreises,ein integrierender Bestandteil des großen Programms des nationalenLiberalismus. Dieselben Leute, welche sich iu ihren auf eine deutscheReichseinheit mit liberaler Verfassung gerichteten Bestrebungen imNationalverein zusammenschlössen, vertraten in dem im Jahre 1858gegründeten Volkswirtschaftlichen Kongreß eine liberale Wirtschafts-politik nach innen nnd außen. Es war die gleiche Flutwelleder Begeisterung, welche die nationalen Einheitsbestrebuugen und dieIdee der Handelsfreiheit in die Höhe trug.

Unter diesen Verhältnissen war es für die preußische Regierungdie natürliche Politik, durch ein Eingehen auf die freihändlcrischenBestrebungen den handelspolitischen Gegensatz zu Österreich zu ver-schärfen und die freihändlerische Bewegung dazu zu benutzen, den Aus-schluß Österreichs aus dem Zollverein zu einem dauernden zu machen.Dieser Weg. der sich schon aus rein politischen Gründen sür die preußischeRegierung als der gegebene darstellte, entsprach außerdem durchausden volkswirtschaftlichen Überzeugungen der maßgebenden Persönlich-keiten. Innerhalb der preußischen Regierung gehörte zu den treuestenAnhängern der Frcihandelslehre Rudolph Delbrück, der sich schonum den Abschluß des preußisch-hannöverschcn Zollvereinsvertrags von1851 hervorragend verdient gemacht hatte und der später als preußischerHandelsminister und als Präsident des Reichskanzleramts bis zumJahre 1876 die Handelspolitik des Zollvereins und des deutschenReiches fast ausschließlich leitete.

Bei einer für Preußen so klaren Situation ist es begreiflich, daßalle handelspolitischen Annäherungsversuche, die Österreich nach demAbschluß des Handelsvertrags von 1853 machte, um die völlige Zoll-einiguug herbeizuführen oder wenigstens vorzubereiten, trotz der Für-sprache und der Bemühungen der süddeutschen Staaten erfolglos blieben.Der einzige wenigstens scheinbare Erfolg Österreichs war der Abschlußdes Wiener Münzvertrags vom 24. Januar 1857, durch welchenÖsterreich in den seit 1838 bestehenden und sich mit dem Zollverein