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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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nicht auf dem Wege der Verträge mit ausländischen Staaten undnicht als Konzession gegen andere Zugeständnisse, also voll und ganzaus eigenster Entschließung des Zollvereins. Mit dieser energischenBekundung seiner freihändlerischen Politik hat der Zollverein seineselbständige Existenz abgeschlossen.

Der erste handelspolitische Akt des Deutschen Reiches war der imll des Frankfurter Friedens enthaltene Meistbegünstigungsvertragmit Frankreich . Bismarck hätte an Stelle dieses Meistbegünstigungs-vertrags gerne einen neuen Tarifvertrag abgeschlossen oder wenigstensdie Fortsetzung des in der ersten Hälfte der 60 er Jahre abgeschlossenenund durch den Krieg aufgehobenen Handelsvertrags erwirkt. Aberhier zeigten sich bereits die Anfänge der Protektionistischen Reaktion,die in wenigen Jahren über Europa hereinbrechen sollte. In Frank-reich hatten bereits vor dem Ausbruch des Krieges die Schutzzöllncrwieder bedeutend an Einfluß gewonnen, und jetzt, bei den Verhandlungenmit Deutschland , hielt die französische Regierung so hartnäckig daranfest, daß sie mit den bisherigen Zöllen nicht auskommen könne undfreie Hand für weitere Zollerhöhungcn behalten müsse, daß Bismarckausrief, er wolle sich lieber einem Krieg mit Kanonen als einem Kriegmit Zolltarifen aussetzen. Es war indessen nicht zu verkennen, daßdie Franzosen schon zur Beschaffung der Kriegskostenentschädigungdie Möglichkeit haben mußten, höhere Erträge aus ihren Zöllen zuziehen, und deshalb ging Bismarck schließlich auf den Vorschlag ein.daß beide Länder sich gegenseitig die Meistbegünstigung gewährensollten. Die Meistbegünstigung des Vertrags ist jedoch keine unbedingte,sie enthält nur die gegenseitige Gleichstellung in der zollpolitischenBehandlung mit England, Belgien, den Niederlanden, der Schweiz ,Österreich und Rußland . Ausgenommen von der Meistbegünstigungsind diejenigen Zugeständnisse, welche seitens eines der vertragendenTeile durch Handelsverträge andern als den eben genannten Länderngewährt werden.

Die ganze im Friedensvertrag enthaltene Abmachung ist unkünd-bar ; sie kann nur durch Gewalt und Vertragsbruch oder im Wegedes Einverständnisses beider Teile aufgehoben oder abgeändert werden.

Es wäre ohne Zweifel für die ganze Entwicklung der deutschenHandelspolitik von großem Vorteil gewesen, wenn Regierung undVolksvertretung die Schwierigkeiten bei dem Abschluß eines neuenHandelsvertrags mit Frankreich als ein Zeichen der Zeit aufgefaßt