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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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und Wenn sie anch den in andern Ländern, namentlich in Rußland und Österreich , immer stärker werdenden protektionistischen Bestrebungenmehr Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Der Weg der autonomen Zoll-herabsetzungen und Zollbeseitigungen, der bereits vor dem Kriege be-treten worden war, wäre dann vielleicht nicht weiter verfolgt worden,sondern man hätte sich dann Wohl weitere Schritte auf diesem Wegeausgespart als Gegenleistungen gegen entsprechende Zugeständnisseandrer Staaten.

Aber der Reichstag selbst, allen voran der agrarische Teil desReichstags, drängte die Regierung auf der Bahn des Freihandels nochweiter vorwärts, als sie selbst schon gegangen war. Schon seit längererZeit verlangten die Agrarier stürmisch die Beseitigung der Eisenzölle,von der sie sich eine erhebliche Verbilliguug der landwirtschaftlichenGeräte und Maschinen versprachen. Im Mai 1873 wurde im Reichs-tag ein Antrag eingebracht, der die völlige Beseitigung der Eisen-und Maschinenzölle verlangte. Unterzeichnet war der Antrag in ersterReihe von konservativen Agrariern, von den Abgeordneten von Behr,von Below, von Wedell-Malchow, Graf Dohna, Freiherr von Franken-berg, von Minnigerode, außerdem von liberalen Freihändlern wiePrince-Smith und Bambcrger. Auch der Führer des Centrums,Windthorst, hatte seinen Namen unter den Antrag gesetzt.

Der Antrag kam jedoch nicht zur Abstimmung, da die Regierungihrerseits eine Tarifnovclle ankündigte, die dem Reichstag in der Thatwenige Wochen später, im Juni 1873 vorgelegt wurde. Diese Novelleenthielt ebenfalls Zollfreiheit sür Roheisen, nicht dagegen für Eisen-und Stahlwaren, sür die nur Zollermäßigungen vorgeschlagen wurden.Dagegen bot sie auch für einige andere Artikel Zollermäßigungen, sofür Soda, und Zollbefreiungen, so sür Stärke, außerdem die Aushebungdes Ausfuhrzolls für Lumpen.

Die Vorlage ging den radikalen agrarischen Freihändlern lange nichtweit genug. Andrerseits fingen damals die Interessenten der deutschenEisenindustrie an sich zu regen, nachdem sie bei dem glänzenden Gangder Geschäfte in den vorhergehenden Jahren kein allzugroßes handels-politisches Interesse entfaltet hatten. Jetzt aber, wo sich bereits die Vor-boten eines Rückschlags zeigten, begannen sie etwas mehr Eifer in derVertretung ihrer Interessen zu entwickeln; freilich vorläufig noch ohneErfolg. Die Regierungsvorlage wurde schließlich in der Fassung an-genommen, daß Zollsreiheit sür Roheisen und einige andre weniger