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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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Erneuerung des deutsch -österreichischen Handelsvertrags boten, und durchZollerhöhungen in Rußland, die von der deutschen Industrie und demdeutschen Handel schwer empfunden wurden. Dazu kamen die Klagender Eisenindustriellen, die ihren Eindruck auf den Kanzler nicht ver-fehlten.

Schon im Oktober 1876 erklärte sich Bismarck im Ministeriumfür die Aufrechterhaltung der Eisenzölle über den 1. Januar 1877hinaus. Aber der Widerspruch des Finanzministers Camphausen be-stimmte ihn, auf die Durchführuug dieser Absicht zu verzichten. Da-gegen zog er Repressalien gegen Frankreich in Erwägung, das seineEisenausfuhr durch besondere Vergütungen begünstigte; und in einemvom 27. Oktober 1876 datierten Schreiben an den Staatsminister vonHofmann, dem er die Ausarbeitung von Vorschlägen über Gegen-maßrcgeln gegen Frankreich auftrug, sprach er aus: Deutschland dürsein handelspolitischen Dingen nicht vom guten Willen des Auslandesabhängig bleiben. Er wolle fortan keine Handelsverträge mehr schließen,die irgendwelche Fessel für die freie Bewegung der deutschen Tarifebestehen ließen oder neu herstellten. Diese bestimmt und präcisausgesprochene Ansicht bedeutete einen vollendeten Bruch mit der bis-herigen Politik der Handelsverträge.

Zu den Gründen, die Bismarck bestimmten, in das schutzzöllnerischeFahrwasser einzulenken, kam noch hinzu der Übergang der Agrarierzum Schutzzoll. Mit überraschender Schnelligkeit vollzogen damalsdie Agrarier eine totale Schwenkung in ihren handelspolitischen An-sichten und Bestrebungen. Noch im Jahre 1876 hatten sie sich striktals Gegner eines jeden Schutzzolls erklärt. Der durch und durchagrarische Verein der Steuer- und Wirtschaftsreformer erklärte inseinem Statut von 1876 ausdrücklich:Auf der Grundlage des Frei-handels stehend, sind wir Gegner der Schutzzölle." Niemand hatteeifriger als die Agrarier für die freihändlerischen Tarifreformen seit1868 gekämpft, niemand hat sich bis Ende 1876 eifriger gegen dieHinausschiebung des Termins, an dem die Zollfreiheit für Eisenwarenu. s. w. eintreten sollte, zur Wehr gesetzt.

Aber gerade in jener Zeit vollzog sich eine entscheidende Wendungin der Stellung der deutschen Landwirtschaft im internationalen Ver-kehr. Deutschland fing an. überwiegend Getreide zu importieren.Der englische Markt verlor seine große Bedeutung für die deutsche

Landwirtschaft mehr und mehr, teils weil die deutschen Agrarprodukte

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