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Camphausen, der letzte Freihändler in der Regierung, im Februar 1878zurückgetreten war. Er setzte im Frühjahr 1878 im Bundesrat dieBerufung einer Enquete über die Lage der Eisenindustrie durch undspäter eine ähnliche Enquete über die Leinen- und Baumwollindustrie.Im August 1878 präsidierte er in Heidelberg einer Besprechung derFiuanzminister der Einzelstaaten, die sich über die wesentlichen Grund-züge einer Steuer- und Zollreform im Sinne des Reichskanzlerseinigten.
Auch im Reichstag hatten sich inzwischen die Anschauungen undMehrheiten beträchtlich verschoben, teils infolge der handelspolitischenSchwenkung der Agrarier, teils infolge der Reichstagsauflösungwegen der Ablehnung des Socialistengesetzes. Im Oktober 1878 gaben204 Mitglieder, also einige mehr als die absolute Majorität, eineoffenbar vom Reichskanzler selbst angeregte Erklärung ab, die eineReform des Zolltarifs für notwendig erklärte. Bismarck antwortetedarauf sofort in einem Brief an den Führer der Schutzzöllner imReichstag, Freiherrn v. Varnbülcr, in dem er sich bereit erklärte, „eineumfassende Revision des Zolltarifs herbeizuführen und die dazu er-forderlichen Anträge zunächst der Prüfung der verbündeten RegierungenZu unterbreiten." Die Vorarbeiten seien bereits in Angriff genommen,und er werde Handelsverträge erst nach Erledigung der Tarifreformabschließen. — Dieser Brief wurde sofort der Öffentlichkeit übergeben,und damit war die große Aktion eingeleitet.
Für ihre rasche und energische Durchführung setzte Bismarck nun-mehr seine ganze Person ein. In einem Schreiben an den Bundes-rat, das gerade zu Weihnachten 1873 in die Öffentlichkeit kam unddas weit über die Grenzen Deutschlands hinaus das größte Aufsehenerregte, entwickelte er ausführlich sein Programm. Für ihn stehe,so hieß es in diesem Schreiben, in erster Linie die Vermehrung derReichseinkünfte. Deutschland sei in der finanziellen Entwicklung seinesZollwesens weit hinter andern Staaten zurückgeblieben. Die lästigedirekte Steuer solle so viel wie möglich durch die indirekte ersetztwerden, und zu diesem Zweck wolle er zu dem Prinzip des preußi-schen Tarifs von 1818, nämlich zu dem Prinzip der allgemeinen Zoll-pflichtigkeit der Einfuhrgüter zurückkehren ; nur unentbehrliche Roh-stoffe, wie Baumwolle u. f. w., sollten frei bleiben. Solange die meistenLänder, mit denen Deutschland in Verkehr stehe, sich mit hohen Zoll-schranken umgäben, dürfe sich Deutschland bei der Befriedigung seiner