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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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Der Einfluß, den die veränderte Richtung der deutschen Handels-politik und die sich daran anschließenden zollpolitischcn Schritte desAuslandes auf die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft ausübten,ist nicht leicht zu beurteilen. Nicht einmal die Einwirkung der ver-änderten Verhältnisse auf den deutschen Außenhandel ist festzustellen;denn fast gleichzeitig mit dem Zollgesetz von 1879 trat eine tief ein-schneidende Änderung in der deutschen Handelsstatistik ein, auf Grundeines Gesetzes vom 20. Juni 1879, betr. die Statistik des Waren-verkehrs des deutscheu Zollgebiets mit dem Ausland. Infolge der durchdieses Gesetz eingeführten Anmeldepflicht wird seit 1880 namentlichdie Ausfuhr, deren Ermittelung bisher in Ermangelung jedes gesetz-lichen Anhaltes eine sehr mangelhafte gewesen war, in sehr viel größererVollständigkeit statistisch erfaßt. Außerdem ist seit 1880 auch die un-mittelbare Durchführ als solche auch bei zollfreien Artikeln besonderszu deklarieren, während sie bisher zum großen Teil als Einfuhr nachund Ausfuhr aus dem freien Verkehr erschienen war, wodurch infolgeder überaus lückenhaften Feststellung der Ausfuhr namentlich die Ein-fuhrzahlen stark erhöht worden waren. Die ganze statistische Reformmußte mithin aus sich selbst heraus die Einfuhr im Verhältnis zurAusfuhr beträchtlich kleiner erscheinen lassen, als die bisherigen Nach-weisungen, und deshalb braucht die Änderung der Handelspolitik nichtzur Erklärung der Thatsache herangezogen zu werden, daß das Jahr1880 zum erstenmal an Stelle des bisherigen beträchtlichen Einfuhr-überschusses einen geringen Ausfuhrüberschuß brachte. Jedenfalls istes nicht möglich festzustellen, wieviel von diesem Umschwung auf dieÄnderung der Statistik, wieviel auf die Änderung des Zolltarifs zurück-zuführen ist. Dagegen ist es höchst lehrreich, daß diegünstigeHandelsbilanz", die von übereifrigen Anhängern des Schutzzolls alseine Frucht der Tarifreform von 1879 ausgegeben wurde, sich in denfolgenden Jahren bei gleichbleibender statistischer Methode alsbali>wieder verschlechterte, trotz aller weiteren Erhöhungen der Einfuhr-zölle, die im Laufe der 80er Jahre vorgenommen wurden; daß bereitsvon 1884 an wieder ein Einfuhrüberschuß in Erscheinung trat, dernach dem Eintritt von Hamburg und Bremen in das Zollgebiet einensehr beträchtlichen Umfang annahm und von 1891 an den Betrag von1 Milliarde Mk. nahezu erreichte oder gar überschritt. Im ganzenWar die Entwicklung des deutschen Außenhandels in der Zeit von derTarifreform von 1879 bis zu den Handelsverträgen von 1892/94 keine