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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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Kämpfen um die Erneuerung der Verträge mit Frankreich durch be-trächtliche Erhöhung ihres Generaltarifs vor.

Es war also gar keine Frage, daß Deutschland , wenn es nicht seinewirtschaftlichen Interessen aufs schwerste gefährden wollte, mit bloßenMeistbegünstigungsverträgen nicht weiter würde auskommen können.

Bei der in Amerika, in Rußland und in Frankreich herrschendenförmlich kriegerischen Stimmung für das Hochschutzzollsystem sah sichDeutschland für handelspolitische Verhandlungen zunächst auf diemitteleuropäischen Staaten angewiesen. Für alle diese Staaten, fürDeutschland, Österreich-Ungarn, die Schweiz, Italien, Belgien , lag eingemeinschaftliches Interesse vor. Alle waren durch die HandelspolitikFrankreichs, Rußlands und der Vereinigten Staaten in gleicher Weisebedroht. Hier durfte also die deutsche Regierung hoffen, einen gün-stigen Boden für eine handelspolitische Annäherung zu finden. DieInitiative dazu ergriff der deutsche Kaiser in eigener Person. Beieiner Zusammenkunft mit dem österreichischen Kaiser im Sommer 1890in Schlesien erzielte er ein allgemeines Einverständnis über einhandelspolitisches Zusammenwirken. Daraufhin leitete Caprivi gegenEnde 1890 in Wien Verhandlungen ein. Aber bei den ersten Be-sprechungen erschien es kaum möglich, eine Einigung herbeizuführen.Jeder der beiden Teile stellte große Forderungen und wollte dafür nurkleine Zugeständnisse machen. Die Verhandlungen mußten ergebnis-los suspendiert werden. Als aber Frankreich Ernst machte, als es seineTarifverträge kündigte und als sein neuer ungewöhnlich hoher Zoll-tarif gesichert erschien, änderte sich die Lage. Die Verhandlungen inWien wurden nun Anfang 1891 wieder aufgenommen und führtenim Mai 1891 zum Abschluß eines Handelsvertrags. Deutschland gewährte in diesem Vertrage eine Herabsetzung des Getreidezolls von5 Mk. auf 3,50, ferner Zollermäßigungen für eine Anzahl von Roh-stoffen und Halbfabrikaten, für Papier und andere Waren. Österreich setzte seine Zölle ans Textilwarcn um durchschnittlich 20°,v herab undgewährte außerdem Ermäßigungen für Eisenwaren, Maschinen, In-strumente, Glas, Thonwaren u. s. w.

Es war nicht die Absicht der deutschen Regierung, die Österreich gewährten Zugeständnisse ohne weiteres zu verallgemeinern; soweitnicht Meistbcgünstigungsverträge entgegen standen, wollte man sieandern Staaten nur im Austausch für andre Konzessionen zugestehen.Außerdem war ja der Vertrag mit Österreich von vornherein gedacht