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Handelspolitik : Vorträge gehalten in Hamburg im Winter 1900/01 im Auftrag der Hamburgischen Oberschulbehörde / von Karl Helfferich
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als der erste Schritt für eine handelspolitische Zusammenfassung dermitteleuropäischen Staaten. In Konsequenz dieses Planes wurdennoch im Sommer 1891 gemeinsam mit Österreich Verhandlungen mitder Schweiz, Italien und Belgien eingeleitet, und es gelang noch imLaufe desselben Jahres, mit diesen Staaten Verträge auf der Basisder Abmachungen mit Österreich abzuschließen. Am 10. Dezember1891 konnte der Reichskanzler diese sämtlichen Verträge dem Reichstagevorlegen.

Welche Aufnahme diese Verträge in der öffentlichen Meinung undim Reichstage fanden, ist ja in frischer Erinnerung. Noch währenddie Verhandlungen mit Österreich schwebten, hatten die agrarischenParteien mit ihren Protesten gegen jede Ermäßigung der Getreidezöllebegonnen. Caprivi wurde aufs heftigste angegriffen. Selbst seingroßer Vorgänger, Fürst Bismarck , schloß sich der Opposition an.Er erklärte den Vertrag mit Österreich sür einen Versuch, das Ein-vernehmen zwischen Industrie und Landwirtschaft zu sprengen undwirtschaftliche Interessen mit den Fragen der auswärtigen Politik zuvermengen. Dagegen war es für die Reichsregierung ein günstigesZusammentreffen, daß gerade das Jahr 1891 infolge einer allgemeineneuropäischen Mißernte so ungewöhnlich hohe Getreidepreise zeigte, daßvielfach eine gänzliche Suspension der Getreidezölle verlangt wurde.

Caprivi ließ sich durch die heftige Opposition seiner agrarischenGegner nicht einschüchtern. Er vertrat die Handelsverträge vor demReichstag in ehrlicher Überzeugung und mit großem Nachdruck, under erzielte den Erfolg, daß nach mehrtägiger Debatte die Ver-träge am 19. Dezember, ohne Kommissionsberatnng, mit 243 gegen48 Stimmen im Plenum des Reichstags angenommen wurden. Selbstein großer Teil der gemäßigten Konservativen gab seine Stimme fürdie Vorlage ab.

Bis zum Ablauf des Jahres 1903 war damit dem deutschenHandel und der deutschen Industrie ein geschlossenes Gebiet gesichert;und dieses Gebiet wurde im folgenden Jahre erweitert durch den Ab-schluß analoger Handelsverträge mit Rumänien und Serbien. Frank-reichs handelspolitische Absichten, soweit sie sich gegen Deutschland richteten, waren damit durchkreuzt. Während Deutschland für Jahrehinaus eine gesicherte Grundlage für seinen Verkehr mit wichtigen Ab-nehmern geschaffen hatte, geriet vielmehr Frankreich infolge seinesDoppeltarifs von 1891 in Zollkrieg mit Spanien, der Schweiz und